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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihrer Mutter nichts mehr unternommen, um seine Einsamkeit zu bewältigen und ein privatesGlück zu finden. «Wenn zwei Versuche gescheitert sind, sollte man es lassen», hatte er einmal gesagt.
    «Wer war dein erster Versuch?», fragte sie. Er erzählte ihr von der schönen Maria, die er einmal erwischt hatte, als sie es im Dreck mit dem Bauernrüpel Bruno Kleu trieb.
    «Bruno ist ein Kerl wie eine Dampfwalze», sagte er. «Ich glaube, so ein Haudrauf imponiert einem jungen Mädchen mehr als Bildung und gute Manieren.»
    «Mir nicht», sagte sie.
    Und er lachte. «Du warst immer eine Ausnahme, kleine Maus.»
    Das hörte sie noch, als sie hinter dem Ortsschild von der Landstraße in den schmalen Weg einbog, der hinausführte zum Lässler-Hof. Die schöne Maria. Dass Marias Tochter und ihre Nichte zu den Opfern gehörten, machte es so einleuchtend.
    Miriam war kalt, als sie endlich die Wegkreuzung erreichte. Und sie wusste nicht, ob es an der feucht-kühlen Witterung lag oder an der Kälte im Innern, an der Furcht, die Höhle eines Monsters zu betreten. Minutenlang blieb sie im Wagen vor dem Bungalow sitzen und ließ den Anblick auf sich wirken.
    Ein prachtvolles Haus – wie gebaut für eine glückliche kleine Familie   – Vater, Mutter, Kind. Auf den ersten Blick störte nur der Mais, der das große Grundstück von zwei Seiten umschloss. Das Feld gehörte zum Lässler-Hof und war nicht abgeerntet worden. Die Frucht war über den Winter verrottet und bildete eine undefinierbare Masse, in der es hier und dort grün keimte.
    Drinnen war die Luft abgestanden und so kühl wie draußen. Sämtliche Zimmertüren standen offen. Obwohl sie noch nie einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, kannte sie alles aus seinen Briefen. Die große, helle Dielemit der nach unten führenden offenen Treppe und der Verbindungstür zur Garage. Küche, Bad, Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, in dem nicht mehr stand als ein Schreibtisch, ein bequemer Sessel und ein Sekretär, ein kostbares altes Möbelstück. Sie war oft genug in der Werkstatt ihres Vaters gewesen, um den Wert beurteilen zu können.
    Sie ging langsam in den großen, nach Süden liegenden Wohnraum. Die Einrichtung zeugte von Stil. Eine verspiegelte Hausbar, nüchtern und schlicht in einer Ecke. Unzählige kleine Kostbarkeiten genau so verteilt, dass sie dem Raum eine besondere Note verliehen, ohne protzig zu wirken. Überall lag dick der Staub, an sämtlichen Möbelstücken haftete schwarzer Puder von der Spurensicherung.
    Vor der Bar stand ein großer Karton mit Schriftstücken und anderen Dingen, die von der Polizei beschlagnahmt worden und nach gründlicher Überprüfung zurückgebracht worden waren. Zwischen den Papieren lagen auch einige Videokassetten, ein Anblick, der automatisch ihren Puls beschleunigte.
    Auf dem Teppich bei der Sitzgarnitur am Kamin war noch der mit Kreide gezeichnete Umriss eines Körpers zu erkennen und Blut, sehr viel Blut. Auch am Rauchabzug entdeckte sie etliche Spritzer. Sie waren längst getrocknet, fühlten sich rau an, als sie mit den Fingerspitzen darüberstrich.
    Seit sie die Diele betreten hatte, folgte seine sanfte Stimme ihr wie ein Geist, der sie in seinen Bann zu ziehen versuchte mit all den Erklärungen, die er damals geboten hatte. «Warum hast du nicht sofort mit mir darüber gesprochen, kleine Maus?»
    Vor den Augen schwebte ihr noch der Anblick, den er zuletzt geboten hatte. Ein schmächtiger, alter Mann,schon gezeichnet von der Krankheit, die er vor ihr verbergen wollte. Er rang sich ein Lächeln ab und sagte: «Aber sicher geht es mir gut, kleine Maus. Ein paar Unpässlichkeiten bringt das Alter mit sich, mach dir darum keine Gedanken. Wenn ich dich sehe, geht es mir prächtig. Du hast die Augen deiner Mutter, weißt du das?»
    Er schmeichelte ihr. Sie war nur ein billiger Abklatsch ihrer Mutter. Statt tiefblau waren ihre Augen wässrig grau. Ihr Haar war nicht hellblond, es hatte die Farbe von Asche. Deshalb färbte sie es dunkel, so passte es auch besser zu ihr.
    An ihrer Figur war nichts Weibliches. Einen Busen, den man als solchen bezeichnen durfte, hatte sie nach dem Unfall nicht mehr entwickelt, gewachsen war sie auch kaum noch, nur gut einen Meter fünfzig groß.
    Mit der Kleidung konnte sie die äußeren Mängel kaschieren, trug Büstenhalter mit dicker Einlage und in Gegenwart anderer nur hochhackige Schuhe. Sie zog grundsätzlich wadenlange Kleider oder lange Hosen an, dann sah man nur noch, dass sie das linke Bein

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