Lukkas Erbe
Sie hatten den gleichen Heimweg.
Manfred Konz hatte am Marktplatz ein älteres Haus gekauft, Katrin lebte noch bei ihren Eltern an der Bachstraße. Nur widerstrebte es Manfred, mit ihr ins Ehebett zu steigen. Er wollte doch nur ein kurzes Vergnügen. Ins Haus ihrer Eltern konnte er sie natürlich auch nicht begleiten. Aber es war eine warme Nacht. «Fahren wir zum Bendchen», schlug er vor. «Da ist es romantischer als in einem Schlafzimmer, wo schmutzige Wäsche herumliegt. Ich muss unbedingt noch aufräumen, ehe meine Frau nach Hause kommt.»
Am Waldrand standen bereits zwei Wagen, ein roter Fiesta und ein dunkelgrüner Audi, etwa zwanzig Meter voneinander entfernt. Der Mann war schon seit Stunden da und beobachtete das Paar in dem Audi. Er hoffte, dass die beiden ausstiegen und eine Decke auf den Boden legten, wie Rita Meier und Frank es getan hatten. Für diesen Fall war er gut gerüstet. Er hatte einen Knüppel gesucht, der nicht zersplittern würde, wenn er auf einen Kopf traf. Ein Messer hatte er diesmal auch dabei.
Aber sie taten ihm nicht den Gefallen, blieben im Auto. Er hätte die Fahrertür aufreißen, den Mann ins Freie zerren und niederschlagen müssen, um die Frau zu erreichen. Sie hätte Zeit gehabt zu schreien. Das hätte man in dem roten Fiesta bestimmt gehört. Also war er verurteilt zuzuschauen – seit über einer Stunde.
Und dann tauchte auf dem Weg vom Schlösser-Hof zum Wald ein Scheinwerferpaar auf, Katrin Terjungs Wagen. Sie fuhr an den beiden Autos vorbei, lenkte in einen Wirtschaftsweg, ließ den Wagen noch ein Stück rollen, hielt an, löschte die Scheinwerfer und vergewisserte sich, dass sie für die beiden anderen Paare nicht zu sehen waren.
Für den Mann waren sie gut zu sehen, noch besser als das Paar in dem dunkelgrünen Audi, näher, viel näher. Nur knapp drei Meter. Er stand dicht an den Stamm einer Rotbuche gepresst, wagte sich ein Stück vor. Zwischen den Bäumen war die Dunkelheit so dicht, dass er damit verschmolz.
Sie stiegen schon nach wenigen Minuten aus, weil es im Auto zu eng war. Er hörte sie scherzen. Katrin erinnerte Manfred daran, dass sie eigentlich ihre Füße habe hochlegen wollen, als sie sich über die Motorhaube beugte.
In dem Moment zerbrach ein dünner Zweig am Boden mit einem vernehmlichen Knacken unter seinem Tritt.
Manfred Konz sagte noch: «Wart mal, ich glaube, da ist einer.» Er drehte dabei den Kopf über die Schulter, genau in dem Moment, als der Knüppel niedersauste.
So traf der Mann ihn seitlich, sah ihn zusammenbrechen ohne einen Laut. Dann trat er hinter Katrin, und nun ging alles sehr schnell. Noch ehe sie erfasste, was mit Manfred geschehen war, spürte sie das Messer an ihrer Kehle. Und dort blieb es die ganze Zeit.
Sie sah nicht, wer hinter ihr stand, wagte es nicht, sich zu rühren, drückte ihr Gesicht auf das warme Blech und presste fest die Augen zusammen. Wie Rita Meier ließ Katrin Terjung es über sich ergehen, starr vor Angst wimmerte sie nur leise in sich hinein.
Als es vorbei war, blieb sie auf der Motorhaube liegen, bis Manfred am Boden zu stöhnen begann. Da schrie sie,grell und durchdringend, schrie noch, als die beiden anderen Paare längst bei ihr waren.
Die beiden jungen Männer kümmerten sich um den Verletzten, die Frauen um Katrin. Manfred Konz wusste nicht, was passiert war. Als er es begriff, beschwor er alle, um Gottes Willen keinen Aufstand zu machen. «Wenn meine Frau das erfährt …»
Auch Katrin Terjung wimmerte: «Mein Freund macht Schluss, wenn er hört, dass ich …»
Sie wollte nur nach Hause, unter die Dusche und vergessen. Nur war sie nicht imstande zu fahren. Die jungen Leute mit dem grünen Audi wollten nicht in etwas hineingezogen werden. Das Paar aus dem roten Fiesta bot Hilfe an. Der Mann fuhr Manfred Konz ins Lohberger Krankenhaus. In der Notaufnahme erzählten sie, Manfred sei in eine Wirtshausschlägerei geraten und mit einem Stuhlbein niedergeschlagen worden.
Die Frau brachte Katrin Terjung nach Hause und redete eine Weile auf sie ein. Katrins Eltern schliefen schon, sie konnten sich ungestört unterhalten. Die junge Frau hatte selbst einiges zu verlieren, sie war verheiratet wie Rita Meier. Aber sie meinte, man könne das nicht so einfach vertuschen, es sollte unbedingt eine Anzeige erstattet werden.
«Ich könnte behaupten, er hätte mich angegriffen», bot die junge Frau an. «Wenn du mir sagst, wie er aussah, damit ich der Polizei eine Beschreibung geben kann.»
«Weiß
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