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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Freundschaft zwischen Andreas Lässler und ihrem Mann nicht zerbrochen war. Ein Wort von Hartmut hätte genügt, Brittas Leben zu retten. Doch statt zu erklären, dass Ben harmlos war, verlangte Hartmut damals von seiner Frau: «Misch dich nicht ein.» Aber Andreas hatte eine sehr distanzierte und realistische Einstellung zu den Morden. Für ihn gab es nur einen Schuldigen, Heinz Lukka, dem niemand im Dorf so etwas zugetraut hatte.
    Andreas’ jüngerer Bruder Achim dagegen sah die Sache ganz anders: Seit Brittas Tod ließ er Nicole nicht mehr in Ruhe. In den Wochen nach der Beerdigung rief Achim fast jede Nacht an. Er gab ihr die Schuld, stammelte und weinte so lange ins Telefon, bis Walter Hambloch das Sideboard im Wohnzimmer zur Seite schob, damit man den Telefonstecker erreichen konnte. Seitdem zog Hartmut jeden Abend den Stecker raus – mit dem Ergebnis, dass Achim Nicole morgens oder abends auflauerte.
    Nicole machte immer noch Schichtdienst im Seniorenheim.Meist stand Achim Lässler in der Nähe ihrer Garage, wenn sie frühmorgens los musste oder spätabends zurückkam. Er sprach nur selten, wenn überhaupt, fragte er: «Geht’s dir gut?»
    Dann schüttelte sie den Kopf, und er schaute sie mit leerem Blick an. Andreas hatte mehrfach versucht, seinen Bruder zur Vernunft zu bringen. Auch Walter Hambloch hatte sich Achim schon zweimal vorgeknöpft, wie er das nannte, ohne Erfolg. Aber Angst vor Achim Lässler hatte Nicole nicht, nur ein schlechtes Gewissen und Mitleid.
    Seit Miriam Wagner in den Bungalow gezogen war, stand er häufig an der Wegkreuzung, wie auch an dem Freitagmorgen im April 96.   Er war immer schwarz gekleidet. Nicole hatte ihn in der Dunkelheit erst gesehen, als er ins Licht der Scheinwerfer geriet. Da hatte es auch schon gekracht.
    Für die kleinwüchsige Frau mit der tiefen Narbe im Gesicht hatte Nicole zuerst keinen Blick, sie betrachtete erst den Schaden. Am Opel ihres Mannes war der Kotflügel auf der Fahrerseite verbeult. Den Jaguar hatte es schlimmer erwischt.
    Nicole fluchte. «Wann hörst du endlich auf mit dieser Scheiße, Achim? Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank. Jetzt hätte ich dich beinahe überfahren.»
    Achim! Viel mehr als den Namen hörte Miriam Wagner nicht. Mit einem Schlag war für sie alles anders. Die Sehnsucht nach ihrer Mutter, die sie für einen kurzen Moment gespürt hatte, verschwand, an ihre Stelle trat Wut. Ein Irrtum, ein gottverfluchter Irrtum. Nicht Ben, nur Achim Lässler, der Erbe der Schweinezucht, der kein Glück hatte mit Frauen. Und sie sprang für ihn ins Freie, humpelte ihm entgegen, bot ihm Schokolade an, übernächtigt, mit Schatten der Erschöpfung unter den Augen. Sie fühlte sich blamiert bis auf die Knochen, so klein underbärmlich neben der blonden Schönheit, dass sie Mühe hatte, nicht mit den Fäusten auf ihn loszugehen, und völlig vergaß, dass sie ihm von Aktien erzählt hatte.
    «Darf ich erfahren, was Sie hier suchen, Herr Lässler?», erkundigte sie sich, nicht mehr sanft.
    Achim Lässler reagierte nicht, verschlang nur Nicole mit Blicken.
    «Er wartet auf mich», erklärte Nicole.
    Das war offensichtlich. Miriam lachte kurz auf. «Komisches Spiel. Wie wäre es, wenn ihr euch einen anderen Platz dafür sucht? Es muss doch nicht ausgerechnet mein Haus sein. Ihr könnt auch eine Uhrzeit vereinbaren, dann muss er hier nicht die halbe Nacht herumschleichen.»
    Statt darauf zu antworten, wandte Nicole sich erneut an Achim Lässler. «Andreas hat’s dir schon ein paar Mal erklärt. Ich kann’s nur wiederholen. Als Ben zu toben begann, Herrgott, ich hatte Angst, und meinem Mann ging es noch verdammt dreckig. Hätte ich gewusst, wer sie war, hätte ich deine Schwester nach Hause gebracht. Glaub es oder lass es, aber lass mich endlich in Ruhe.»
    Und in dem Moment veränderte sich die Situation für Miriam Wagner noch einmal. «Bist du so freundlich, mich aufzuklären, Herzchen?», verlangte sie. «Was geht vor zwischen euch? Nach einer Romanze klingt es nicht.»
    «Ich habe zugelassen, dass Lukka seine Schwester mit ins Haus nahm», bekam sie zur Antwort. «Aber mit so was rechnet man doch nicht.»
    Miriam lächelte verstehend und wandte sich wieder an Achim Lässler. «Ach so ist das. Es tut weh, sich hier die Beine in den Bauch zu stehen. Magst du diese Art von Schmerz? Da haben wir schon eine Gemeinsamkeit.»
    Sie griff nach seinem Arm, zeigte mit der anderenHand einladend zur offenen Haustür. Die Decke rutschte von ihren

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