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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihm schon mehr erzählt als seine Mutter in den gesamten sieben Wochen, die er mit ihr noch gehabt hatte.
    Einmal sprach sie auch von Tanja, das verstand er, allerdings nur, dass es um seine Schwester ging, mehr nicht. «Ich dachte heute Morgen ja, ich sehe nicht richtig. Da kommt Tanja tatsächlich, als ob überhaupt nichts wäre. Sie hatte Bio in der ersten Stunde. Wenn ich mir das vorstelle, meine Mutter wird begraben und ich mach Bio. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass meine Mutter mal nicht mehr da ist. Sie war aber da heute Morgen, hast du sie gesehen?»
    «Du redest zu schnell, Patrizia», sagte Renate Kleu. «Da versteht er nur die Hälfte.»
    «Dann mach ich langsamer», sagte Patrizia und wiederholte noch einmal sehr langsam die Frage, ob er ihre Mutter in der Trauerhalle oder auf dem Friedhof gesehen habe.
    Er schüttelte den Kopf, wusste nicht, wer ihre Mutter war, wusste auch nicht, wer Patrizia war. Sie sah nicht mehr aus wie die Fünfjährige, die damals schreiend durchden großen Garten ihrer Eltern zum Haus gelaufen war: «Mama, Mama, komm mal schnell, er macht meine Puppe kaputt.»
    Jetzt streichelte sie seine Hand, das hatte noch nie jemand so gemacht wie sie, nicht einmal seine Mutter, er fand es schön. Noch schöner fand er, dass sie seine Hand für einen Moment an ihre Wange legte, Berührungsängste kannte Patrizia nicht. Sie war daran gewöhnt, von ihrem Bruder und seinen Freunden geknuddelt zu werden. Und dabei sagte sie ganz langsam: «Du warst auch bestimmt sehr aufgeregt, du armer Kerl, und sehr traurig. Hast du viel geweint?»
    Er schüttelte noch einmal den Kopf.
    «Dann warst du aber sehr tapfer», meinte Patrizia noch langsam, wurde dann wieder schneller. «Aber ich finde das nicht gut, wenn Männer sich einbilden, sie dürfen nicht weinen. Als mein Bruder den Unfall hatte, hat er in den ersten Tagen auch nicht geweint, erst später. Er hatte nämlich einen schweren Unfall mit dem Motorrad, das weißt du sicher gar nicht.»
    Aber dann erfuhr er binnen weniger Minuten, was Hartmut Rehbach nach dem Kauf einer Harley Davidson zugestoßen war, dass Patrizia eine wunderschöne Schwägerin hatte, die wahnsinnig darunter litt, dass sie keine Kinder bekommen konnte und ständig von Achim Lässler belästigt wurde. Aber darunter litt Nicole nicht so sehr, es war ihr nur unangenehm, weil Hartmut und Walter Hambloch sich darüber aufregten. Sie meinten nämlich beide, vermutlich sei Achim nur scharf auf Nicole und wolle mit der Mitleidsmasche seine Chancen bei ihr erhöhen. In den letzten Wochen hatte Achim sich allerdings nicht mehr in Nicoles Nähe gewagt. Miriam Wagner hatte ihm nämlich gründlich die Meinung gesagt und Nicole fünftausend Mark geschenkt.
    Es prasselte wie ein Wasserfall auf ihn nieder. Er verstand weniger als die Hälfte, hörte trotzdem aufmerksam zu, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, und vielleicht nur, weil er hoffte, Patrizia würde noch einmal seine Schwester erwähnen. Das tat sie nicht. Sie sprach weiter von Marlene, was ihm überhaupt nichts sagte, erzählte, wie egoistisch und gemein sie sich gefühlt habe in den sieben Monaten bis zum Leichenfund. Das Schicksal ihrer Freundin ungeklärt, aber man habe sich an zwei Fingern ausrechnen können, was mit ihr passiert sei. Und sie war glücklich mit Dieter. Als sie zu schildern begann, welchen Ärger sie seitdem daheim hatte, unterbrach er sie endlich. «Fein?»
    Patrizia strahlte ihn an, tätschelte erneut seine Hand und legte sie sich auch noch einmal kurz an die Wange, drehte sich zu Renate um und fragte: «Haben Sie das gehört, Frau Kleu? Er hat fein zu mir gesagt. Ich glaube, er mag mich.»
    «So hat er seine Mutter genannt und Tanja», erklärte Renate kurz angebunden und bat sie dann, Dieter zum Abendessen zu rufen.
    Nach dem Essen wollte Dieter in die Diskothek nach Lohberg. Patrizia hätte lieber Ben noch ein wenig getröstet, einen derart geduldigen Zuhörer hatte sie noch nie gehabt, nur zwei einsilbige Unterbrechungen in zwei Stunden. Aber sie fügte sich, wünschte ihm eine gute Nacht und verabschiedete sich mit dem Versprechen: «Morgen komme ich ein bisschen früher.»
     
    Bruno kam erst um zwei Uhr in der Nacht. Und ungefähr so hatte Renate Kleu es sich vorgestellt, als ihr Mann sagte: «Viel Arbeit wird er dir nicht machen. Bei Trude hat er den ganzen Tag nur herumgesessen. Ich glaube, ihm steckt die Anstalt noch in den Knochen. Das wirdwohl auch eine Weile dauern, ehe er das

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