Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
mit.
    Vom Bruch aus lief er zum Bendchen. Dort hielt sich um diese Zeit niemand mehr auf. Er suchte im Unterholz nach brauchbarem Material, um das Verlorene zu ersetzen. Es lag oft etwas am Boden. Seine Augen waren längst auf die Dunkelheit eingestellt. Er fand ein paar Rindenstücke, die ihm groß genug erschienen. Auch zwei kleine Äste. Damit hatte er die Hände so voll, dass er nicht weitersuchen brauchte. Die Hosentaschen waren zu klein. An den alten Jogginghosen waren die Taschen viel größer gewesen.
    In gemächlichem Trab lief er zu seinem Elternhaus. Das Küchenfenster war kaputt und stand offen. Er konnte mühelos hinein. Auf dem Fußboden lagen Glasscherben und ein dicker Stein. Aber sonst war alles so, wie er es kannte. Er wusste, wo seine Mutter Plastiktüten verwahrte, nahm eine und füllte all das Holz hinein. So war es bequemer zu tragen.
    Dann hörte er etwas aus dem oberen Stockwerk und dachte, seine Mutter sei schon zurückgekommen. Er freute sich so sehr, lief rasch zur Treppe und erschrak heftig, als er Achim Lässler erkannte. Achim hatte ein großes Messer, und er hob es an, als wolle er ihn damit stechen. Bei den Übungen mit dem Sandsack hatte Bruno gesagt, bei einer Bedrohung durch einen Menschen müsse er unter das Kinn des Angreifers oder gegen dessen Bauch schlagen.
    Das leuchtete ihm in der Situation nicht ein. Für ihn stellte das Messer in Achims Hand die Bedrohung dar. Und daran würde sich nichts ändern, wenn er unter Achims Kinn schlug. Er schlug lieber zuerst einmal unter den Arm, da flog das Messer in hohem Bogen weg. Dann schlug er unter das Kinn, da fiel Achim um.
    Es verblüffte ihn, Bruno hatte nicht gesagt, welche Folgen so ein Schlag haben konnte. Aber es verschaffte ihm die Zeit, zurück in die Küche zu laufen, die Plastiktüte zu nehmen und schnell durch das Fenster ins Freie zu steigen.
    Er lief auch noch sehr schnell zum breiten Weg hinunter, schaute sich ein paar Mal um, ob Achim ihm folgte. Das war nicht der Fall, so lief er langsamer vorbei an den Gärten, Darscheids Atelier, Rehbachs Garage, der Apfelwiese und dem verwilderten Grundstück daneben.
    Im Gestrüpp flatterten noch Reste des rotweißen Absperrbandes. Die breite Bresche sagte ihm mehr als jedes Wort. Ich, die Frau mit den Fotos, hatte die Mädchen weggenommen und dabei alles kaputt gemacht. Wir machten immer alles kaputt, auch wenn wir etwas Gutes tun wollten. Er machte das immer anders.
    Beim Birnbaum war ein riesiger Fleck nackter, aufgeworfener Erde. Darauf lag ein Blumenstrauß, das wunderte ihn. Er fragte sich, ob doch noch eines der Mädchen in der Erde lag. Vielleicht hatte ich sie nicht alle gefunden. Aber er hatte keinen Spaten dabei, konnte nicht nachschauen, mochte auch nicht zurücklaufen, um seinen Klappspaten aus dem Keller zu holen. Wenn Achim wieder aufgestanden war   …
    Und im Osten wurde der Himmel bereits grau. Es war Zeit, zurückzukehren in das Zimmer, das sein Kumpel Bruno ihm zugewiesen hatte. Die Haustür verschloss er hinter sich, wie man einen Schlüssel in der Tür drehte, hatte er schon vor langen Jahren auf dem Lässler-Hof gelernt.Dann ging er hinauf, zog sich aus und legte sich noch für eine Stunde aufs Bett.
    Früh um sechs begann der Tag auf Bruno Kleus Hof. Er wachte auf, als Bruno an seine Tür klopfte und rief: «Komm, Kumpel, die Kälber haben Hunger.»
    Bruno und Dieter gingen sofort in den Stall, während Renate Frühstück machte. Die Milchwirtschaft und der Zuchtbetrieb waren Familiensache.
    Er wusste nichts von den Prioritäten auf Brunos Hof, hatte in der Landesklinik gelernt, zuerst waschen, dann frühstücken. Die Tüte mit den Holzstücken lag neben seinem Bett, das Messer steckte noch in der Hosentasche. Er suchte aus Gewohnheit ein Versteck dafür. Doch das überlegte er sich dann anders. Er wollte es lieber bei sich haben. Früher waren immer Sachen verschwunden, die er in seinem Zimmer versteckt hatte. Und dieses Messer brauchte er unbedingt für die Rinde. Er nahm es mit unter die Dusche, wusch gründlich den Dreck ab und hantierte so lange damit herum, bis die Klinge endlich wieder herausschnappte.
    Dann zog er noch einmal das weiße Hemd und die dunkle Flanellhose mit dem Streifen Erde am Bein an, weil ihm niemand andere Sachen hingelegt hatte. Rasieren konnte er sich leider nicht, Bruno hatte den alten Apparat seines Vaters nicht mitgebracht. Aber die Erde unter seinen Fingernägeln konnte er entfernen. Sie war beim Duschen aufgeweicht und ließ

Weitere Kostenlose Bücher