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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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einmal sehen. Darauf wartet er schon fast ein Jahr. Er hat ihr das Leben gerettet, aber die lassen ihn nicht zu ihr.»
    An einem der Tische sagte eine jüngere Frau: «Das ist ja furchtbar, warum denn nicht?»
    Patrizia erklärte auch das noch. Wieder setzte Tuschelei ein, wurde lauter. Und plötzlich standen alle auf seiner Seite, gegen Achim Lässler. Die Bedienung hatte den Telefonhörer bereits abgenommen, legte wieder auf. Patrizia huschte durch die offene Tür, um Ben zu seinem Recht zu verhelfen. Achim schob sie zurück mit dem Hinweis: «Das ist privat.»
    Ben sagte noch einmal drohend: «Finger weg, Freund.»
    «Eine Schwester ist auch privat», rief ein älterer Mann. «Wenn er nicht rauf darf, hol das Mädchen runter.»
    «Sie will ihn nicht sehen», erklärte Achim Lässler.
    «Dann soll sie ihm das ins Gesicht sagen », meinte der ältere Mann. «Ist doch keine Art so.»
    Alle spähten angestrengt in den halbdunklen Korridor. Ben rief mehrfach in Richtung der Treppe: «Fein!»
    Dann kam Antonia herunter.
    «Fein», sagte er, zerrte die Karten mit den Namen aus seiner Hosentasche, hielt Antonia TANJA entgegen, flehte: «Fein.»
    Irgendjemand sagte: «Mein Gott, das kann man ja nicht mit ansehen, der arme Kerl. Jetzt tun Sie ihm doch den Gefallen, holen Sie das Mädchen runter.»
    «Haben Sie eine Vorstellung, was das Kind durchgemacht hat?», fragte Antonia.
    Niemand antwortete. Antonia wandte sich an ihn. «Es tut mir Leid, Ben. Wir alle haben große Fehler gemacht. Nun haben wir großen Kummer. Paul ist davon krank geworden. Tanja ist auch noch krank und sehr traurig, weil wir Britta verloren haben. Du hättest Britta helfen können und hast es nicht getan, nur weil sie mit dir geschimpft hat. Sie wusste nicht, dass Lukka böse war. Du hast es gewusst und hast sie trotzdem mit ihm gehen lassen. Tanja wird nicht zu dir kommen. Sie weint. Willst du das?»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Dann geh», sagte Antonia.
    Und er ging, kam zurück in den Gastraum, ging weiter auf den Ausgang zu. Wenn er nicht so genau gewusst hätte, dass Tränen nichts änderten, hätte er wohl auch geweint.
    «Willst du nicht dein Eis essen?», fragte Patrizia.
    Er schüttelte noch einmal den Kopf und trat hinaus ins Freie. Patrizia und Dieter folgten ihm zwangsläufig. Zahlen mussten sie nicht, sie hatten ja auch nicht viel verzehrt. Nur Dieter hatte ein paar Löffel von seinem Amarenabecher genommen.
    Bis sechs Uhr liefen sie mit ihm die Straße hinauf und hinunter. Er gab das Tempo vor. Zweihundert Meter in eine Richtung, wieder zurück. An den Juwelierladen dachte Patrizia nicht mehr. Dieter schlug ein paar Mal vor, nochmal reinzugehen und eine Cola zu trinken. «Ich habe so einen Durst, und wenn wir uns nur an einen Tisch setzen   …»
    Aber Ben wollte nicht wieder hineingehen, auch nicht draußen sitzen, als dort Plätze frei wurden. Als Nicole sie um sechs Uhr abholte, näherten sie sich gerade wieder dem roten Ford Fiesta.
    «Vielleicht sollten wir noch ein bisschen im Auto warten», schlug Patrizia vor. «Irgendwann fahren sie ja auch zurück. Dann könnte er Tanja wenigstens nochmal sehen.»
    «Weg», sagte er, riss die Wagentür auf und saß so schnell auf dem Beifahrersitz, als könne er es kaum erwarten, Lohberg den Rücken zu kehren. Patrizia und Dieter stiegen ebenfalls ein, während Nicole sich bemühte, ihm den Sicherheitsgurt umzulegen, ohne ihn zu berühren.
    Patrizia erstattete ausführlich und sehr frustriert Bericht. Er verrenkte sich auf seinem Sitz, um in seine Hosentasche greifen zu können, zog die Karten heraus und legte sie Nicole alle in den Schoß. «Weg», sagte er, und sie glaubte zu begreifen, was er meinte: Er hatte alles verloren. Und dann berührte er sie, nahm ihre Hand und legte sie ans Lenkrad. «Weg», sagte er noch einmal.

11.   September 1997
    Seit Wochen war es so friedlich im Dorf wie in den Sommermonaten des Vorjahres. Die jungen Paare wagten sich wieder ins Bendchen, es war ja scheinbar nichts mehr passiert. Wer immer den Wald unsicher gemacht hatte, jetzt war er weg, das schrieb man dem Einsatz der Bürgerwehr zu.
    Rita Meier hatte das unerfreuliche Erlebnis und die Begegnung auf dem Friedhof verdrängt. Sie wähnte sich sicher nach ihrer Drohung. Katrin Terjung litt immer noch unter der Vergewaltigung und wusste nicht, wie sie ihrem Freund begreiflich machen sollte, warum sie seine Zärtlichkeit nicht mehr ertrug. Aber zu oft musste sie ihnnicht abweisen, weil er in

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