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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Art-déco-Penthäuser stoßen auf Opiumhöhlen stoßen auf Wild-West-Saloons stoßen auf Achterbahnen stoßen auf kleinstädtische Carnegie-Bibliotheken stoßen auf Reihenhäuser stoßen auf College-Vorlesungssäle.
    Nach Wochen auf der Straße mit Helen und Mona habe ich vergessen, welch wichtiges Gut Vollkommenheit ist.
    Im Computer habe ich den Entwurf zu dem Krippentod-Artikel. Die letzte Folge. Eltern und Großeltern haben immer Angst, so etwas zu lesen, aber noch größer ist die Angst, es nicht zu lesen. Neue Informationen gibt es im Grunde nicht. Die Idee war, zu zeigen, wie Menschen damit fertig werden. Wie Menschen damit weiterleben. Wir wollten den tiefen inneren Quell der Kraft und Menschlichkeit zeigen, den jeder dieser Menschen in sich entdeckt. Diese ganze Tour.
    Vom plötzlichen Kindstod wissen wir nur, dass er keinem Muster folgt. Ein Baby kann in den Armen seiner Mutter sterben.
    Der Artikel ist noch nicht fertig.
    Die beste Methode, sein Leben zu vergeuden, ist ständiges Notizenmachen. Die einfachste Methode, dem Leben aus dem Weg zu gehen, ist einfach nur zuzusehen. Auf die Details achten. Berichten. Nicht teilhaben. Soll Big Brother sich mit seinem Getue für einen abstrampeln. Reporter sein. Ein glaubwürdiger Augenzeuge sein. Ein dankbarer Teil des Publikums.
    Im Radio reiht sich Walzermusik an Punk an Rock an Rap an gregorianische Gesänge an Kammermusik. Im Fernsehen zeigt jemand, wie man einen Lachs fängt. Jemand zeigt, warum die Bismarck gesunken ist.
    Ich verleime Erkerfenster und Kreuzgewölbe und Tonnengewölbe und Mauerbogen und Treppenhäuser und Lichtgaden und Mosaikböden und Stahlzwischenwände und Fachwerkgiebel und ionische Pilaster.
    Das Radio spielt afrikanische Trommelmusik und französische Schnulzen, alles durcheinander. Auf dem Boden vor mir liegen chinesische Pagoden und mexikanische Haziendas und Cape-Cod-Kolonialhäuser, alle durcheinander. Im Fernsehen locht ein Golfer ein. Eine Frau gewinnt zehntausend Dollar, weil sie den ersten Satz der Gettysburger Rede auswendig weiß.
    Das erste Haus, das ich je zusammengebaut habe, hatte vier Stockwerke, ein Mansardendach und zwei Treppenhäuser, eines vorn für die Bewohner und eines hinten für die Dienstboten. Zur Ausstattung gehörten Kronleuchter aus Metall und Glas mit winzigen Glühbirnen. Ein Esszimmer mit Parkettboden, sechs Wochen hatte mich da das Zuschneiden und Verleimen gekostet. Ein Musikzimmer, nächtelang hatte meine Frau Gina damit zugebracht, die Decke mit Wolken und Engeln zu bemalen. Ein Kamin im Esszimmer, das Feuer darin hatte ich aus geschliffenem Glas mit einer flackernden Lichtquelle dahinter gemacht. Wir deckten den Tisch mit winzigen Tellern, und Gina blieb lange auf und malte Rosen um den Rand jedes einzelnen Tellers. Uns beiden waren diese Nächte ohne Fernsehen und Radio – Katrin schlief – damals überaus wichtig. Das waren die zwei Leute auf dem Hochzeitsfoto. Das Haus sollte Katrin zum zweiten Geburtstag bekommen. Alles musste perfekt sein. Etwas, das unser Talent und unsere Klugheit unter Beweis stellte. Ein Meisterwerk, das uns überleben sollte.
    Orangen und Benzin, der Leimgeruch, mischt sich mit dem Geruch von Scheiße. An meinen Fingern, an meinen leimverkrusteten Händen kleben Fenster und Veranden und Klimaanlagen. An meinem Hemd haften Drehkreuze und Aufzüge und Bäume, und ich stelle das Radio lauter.
    All die Arbeit und Liebe und Mühe und Zeit, mein Leben, alles vergeudet. Alles, was mich überleben sollte, habe ich zerstört.
    An dem Nachmittag, als ich nach Hause kam und die beiden fand, ließ ich das Essen im Kühlschrank. Die Kleider in den Schränken. An dem Nachmittag, als ich nach Hause kam und erkannte, was ich getan hatte, war dies das erste Haus, das ich niedertrampelte. Ein Erbstück ohne Erben. Die winzigen Kronleuchter, das Glasfeuer, die Tellerchen. Alles stak mir in den Schuhen, und auf dem Weg zum Flughafen hinterließ ich eine Spur von winzigen Türen und Regalen und Stühlen und Fenstern und Blut.
    Dahinter riss meine Spur ab.
    Und jetzt sind mir die Bauteile ausgegangen. Wände und Dächer und Geländer. Und was vor mir auf den Boden geleimt ist, das ist bloß ein wirres Durcheinander. Es ist weder perfekt noch vollständig, sondern das, was ich aus meinem Leben gemacht habe. Wie man es auch sieht, es folgt keinem großartigen Gesamtplan.
    Man kann nur hoffen, dass sich ein Muster ergibt, und in manchen Fällen geschieht das eben nie.
    Aber auch mit einem

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