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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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sie ins Unglück stürze.
    LULU (wie oben)
    Das Leben in einem solchen Haus kann ein Weib von meinem Schlag nie und nimmer glücklich machen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, hätte mir das gefallen können. Damals verzweifelte ich daran, dass ich jemals glücklich werden würde. Ich kaufte mir einen Revolver und lief nachts barfuß durch den tiefen Schnee über die Brücke in die Anlagen, um mich zu erschießen. Dann lag ich aber glücklicherweise drei Monate im Krankenhaus, ohne einen Mann zu Gesicht zu bekommen. In jener Zeit gingen mir die Augen über mich auf, und ich erkannte mich. In meinen Träumen sah ich Nacht für Nacht den Mann, für den ich geschaffen bin und der für mich geschaffen ist. Und als ich dann wieder auf die Männer losgelassen wurde, da war ich keine dumme Gans mehr. Seither sehe ich es jedem bei stockfinsterer Nacht auf hundert Schritt Entfernung an, ob wir füreinander bestimmt sind. Und wenn ich mich gegen meine Erkenntnis versündige, dann fühle ich mich am nächsten Tage an Leib und Seele beschmutzt und brauche Wochen, um den Ekel, den ich vor mir empfinde, zu überwinden. Und nun bildest du dir ein, ich werde mich jedem Lumpenkerl hingeben!
    CASTI-PIANI
    Lumpenkerle verkehren bei Oikonomopulos in Kairo nicht. Seine Kundschaft setzt sich aus schottischen Lords, aus russischen Würdenträgern, indischen Gouverneuren und unseren flotten rheinischen Großindustriellen zusammen. Ich muss nur dafür garantieren, dass du Französisch sprichst. Bei deinem eminenten Sprachtalent wirst du übrigens auch rasch genug so viel Englisch lernen, wie du zu deiner Tätigkeit nötig hast. Dabei residierst du in einem fürstlich ausgestatteten Appartement mit dem Ausblick auf die Minaretts der El Azhar-Moschee, wandelst den ganzen Tag auf faustdicken persischen Teppichen, kleidest dich jeden Abend in eine märchenhafte Pariser Balltoilette, trinkst so viel Sekt, wie deine Kunden bezahlen können; und schließlich bleibst du ja auch bis zu einem gewissen Grad deine eigene Herrin. Wenn dir der Mann nicht gefällt, dann brauchst du ihm keinerlei Empfindung entgegenzubringen. Du lässt ihn seine Karte abgeben und damit holla! Wenn sich die Damen darauf nicht einübten, dann wäre die ganze Sache überhaupt unmöglich, weil jede nach den ersten vier Wochen mit Sturmschritt zum Teufel ginge.
    LULU (mit zitternder Stimme)
    Ich glaube wirklich, seit gestern ist in deinem Gehirn irgendetwas nicht mehr, wie es sein soll! Soll ich mir einreden lassen, dass der Ägypter für eine Person, die er gar nicht kennt, fünfhundert Francs bezahlt?
    CASTI-PIANI
    Ich habe mir erlaubt, ihm deine Bilder zu schicken!
    LULU
    Die Bilder hast du ihm geschickt, die ich dir gab?
    CASTI-PIANI
    Du siehst, dass er sie besser zu würdigen weiß als ich. Das Bild, auf dem du als Eva vor dem Spiegel stehst, wird er, wenn du dort bist, wohl unter der Haustür aufhängen. Dann kommt für dich noch eins in Betracht. Bei Oikonomopulos in Kairo bist du vor deinen Henkern sicherer, als wenn du dich in einen kanadischen Urwald verkriechst. Man überführt so leicht keine ägyptische Kurtisane in ein deutsches Gefängnis, erstens schon aus Sparsamkeitsrücksichten und zweitens aus Furcht, man könnte dadurch der ewigen Gerechtigkeit zu nahe treten.
    LULU (stolz, mit heller Stimme)
    Was schert mich eure ewige Gerechtigkeit! Du kannst dir an deinen fünf Fingern abzählen, dass ich mich nicht in ein solches Vergnügungslokal sperren lasse.
    CASTI-PIANI
    Dann erlaubst du, dass ich den Polizisten heraufpfeife?
    LULU (verwundert)
    Warum bittest du mich nicht einfach um zwölfhundert Mark, wenn du das Geld nötig hast?
    CASTI-PIANI
    Ich habe gar kein Geld nötig! – Übrigens bitte ich dich deshalb nicht darum, weil du auf dem Trocknen bist.
    LULU
    Wir haben noch dreißigtausend Mark.
    CASTI-PIANI
    In Jungfrauaktien! Ich habe mich nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt in deutscher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in englischem Gold. Du kannst morgen früh an Bord sein. Die Überfahrt dauert nicht viel mehr als fünf Tage. In spätestens vierzehn Tagen bist du in Sicherheit. Hier stehst du dem Gefängnis näher als irgendwo. Es ist ein Wunder, das ich als Geheimpolizist nicht verstehe, dass ihr ein volles Jahr unbehelligt habt leben können. Aber so gut wie ich euren Antezedenzien auf die Spur kam, kann bei deinem starken Verbrauch an Männern jeden Tag einer meiner Kollegen die glückliche Entdeckung machen. Dann darf ich mir den

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