Lumpenloretta
zehn Minuten später kreischend und zeternd danach gefragt hat, hat er geantwortet: „Hab ich passend gefunden!“
Wozu passend und wofür passend, darüber hat er ihr keine Auskunft gegeben. Und falls du meinst, dass er es selber vielleicht nicht so genau gewusst hat, könntest du richtig liegen. Aber wichtig ist ihm das kahle Schädelkreuz auf alle Fälle gewesen, weil er sich hartnäckig geweigert hat, den Rest der Haarstoppel auch noch wegzurasieren, was die Glatze-Mutter zuerst von ihm verlangt und dann händeringend erfleht hat. Beinahe geweint hat sie. Glatze ist hart geblieben. Aber wenigstens in die Edel-Kluft, die seine Mutter extra für das Fest gekauft hat, hat er sich stopfen lassen. Sogar eine Krawatte hat er sich um den Hals binden lassen. Und wie er fix und fertig ausstaffiert gewesen ist – rosa Hemderl, grauer Hugo-Boss-Nadelstreif, getupftes Krawatterl und Tod’s-Slipper – hat die Glatze-Mutter feuchten Auges gejammert: „So ein wunderschöner Bub und muss sich mutwillig derart verschandeln!“
Dann ist der Glatze-Vater heimgekommen, um sich in Schale zu werfen, und die Glatze-Mutter hat weiter gejammert, dass sie ihrer Familie einen derart verschandelten Sohn nicht vorführen will! In Grund und Boden genieren würde sie sich! Gehofft habe sie, dass ihr Sohn endlich zur Besinnung gekommen ist! Weil er seit zwei Wochen seinen Schädel nicht mehr rasiert hat! Und jetzt das! Das ist zu viel!
Geduldig hat sich der Glatze-Vater den Sermon angehört, aber wie dann die Glatze-Mutter von ihm verlangt hat, dass er seinem Sohn wenigstens eine Total-Rasur verpassen soll, weil den schrecklichen Kahlschädel sei ihre Verwandtschaft schon gewohnt, hat es ihm gereicht und er hat gesagt: „Hättest du nicht darauf bestanden, dass ich ihm wegen ein paar lächerlicher Kopfläuse eine Glatze schneide, hätte er noch immer seinen Lockenkopf! Lass den Buben endlich in Frieden!“
Worauf die Glatze-Mutter in Rede-Streik getreten ist und den Mund erst wieder aufgemacht hat, wie sie in Dornach, im Restaurant, ihren Vater und den Rest der Großfamilie umarmt hat.
Den Opa übrigens hat Glatzes Schädel nicht gestört. Witzig hat er ihn gefunden, und zu seiner Tochter hat er gemeint: „Ist doch eh sehr christlich, so ein Kreuz am Schädel. Solange er sich keine SS-Runen ins Fell schert, soll es mir recht sein.“
Und die vier Kusinen von Glatze – Kusins hat er keine – haben „irre cool“ gekichert, und Glatze hat Mühe gehabt, sie davon abzuhalten, dauernd seine Schädeldecke zu begrapschen.
Gegen vier Uhr ist die Feierlichkeit überstanden gewesen, und nach einem kurzen Streit seiner Eltern darüber, ob der Glatze-Vater fahrtüchtig oder alkoholisiert ist, hat die Glatze-Mutter Mann und Sohn heimgefahren. Glatze auf den Rücksitzen liegend und vor sich hin dämmernd. Sechsgängige Menüs ist er sowieso nicht gewohnt, und eines, wo im Dessert viel Eierlikör drin ist, schon gar nicht.
Daheim angekommen, hat sich Glatze ins Haus reingegähnt und die Festtags-Klamotten gegen T-Shirt und Shorts getauscht, wobei er langsam wieder munter geworden ist.
„Nachtmahl fällt heute aus“, hat die Glatze-Mutter verkündet. „Wir haben Kalorien für eine ganze Woche intus.“
Der Glatze-Vater hat die Magenbitter-Flasche aus dem Schrank, den seine Frau „Hausbar“ nennt, geholt. Er hat sich einen dreifachen Verdauungs-Schnaps eingeschenkt, den „ex“ gekippt und urlaut und zufrieden gerülpst; was seine Frau mit „Ein Benehmen wie ein Saubär“ kommentiert hat. Abschließend hat sie noch gesagt, dass sie jetzt dringend ein Erholungsschläfchen braucht, und falls Musik-Radau von nebenan dieses Schläfchen stören sollte, wird sie zur Furie werden, wird die alte Schrotflinte aus dem Keller holen und rüberballern. Der Glatze-Vater hat gewartet, bis sie im Schlafzimmer verschwunden war, dann hat er sich noch einen dreifachen Schnaps eingeschenkt. Glatze ist vors Haus und hat die Lage sondiert. Der Teddybär-Bus ist, soweit Glatze die Straße überblicken hat können, nirgendwo geparkt gewesen. Glatze ist zur Haustür vom 19er-Haus und hat geklingelt. Im Haus hat sich nichts gerührt. Dass die Loretta mit Zecke und Zahn noch beim Badeteich sein könnte, hat er nicht angenommen. Um diese Tageszeit ist dort kein bisschen Sonne mehr, nur noch Schatten. Und Zecke und Zahn mögen Schatten überhaupt nicht.
Glatze ist die Straße rauf, zum Haus von Zahn. Auch dort hat auf sein Klingeln niemand reagiert. So ist er
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