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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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ihr.
    Glatze hat gerade sein Frühstück verputzt gehabt und seine Marmelade-Finger abgeschleckt, da hat sich nebenan endlich etwas gerührt. Und zwar heftig! Die Loretta ist mit dem riesigen Ghetto-Blaster aus dem Küchenfenster gesprungen, hat das urlaut plärrende Ding in die Brennnesseln gestellt und ihr Zirkus-Training gestartet. Salto vorwärts, Salto rückwärts. Und Rad schlagen. Bloß ein kurzes Nachthemd hat sie angehabt, und beim Salto und Rad schlagen hat das Nachthemd klarerweise nicht immer züchtig ihre Blößen bedeckt.
    Wenn ihre Beine in der Luft gewesen sind, ist es bis zum Bauchnabel runtergerutscht. Die Loretta hat die zweite Radschlag-Runde noch nicht fertig gehabt, da sind von links die Glatze-Mutter und von rechts die Locke-Mutter angeflitzt und haben „Ruhe! Sofort Ruhe!“ über die Ribisel-Stauden gebrüllt. Vor Schreck ist die Loretta in die Brennnesseln gekippt. Sie hat sich aufgerappelt, das Nachthemd zurechtgezogen, den Ghetto-Blaster abgestellt und nach links und rechts „Entschuldigung“ gesagt. Dabei hat sie gelächelt und sich verneigt. Sie hat es garantiert freundlich gemeint, aber irgendwie hat es schon danach ausgeschaut, als ob sie die Nachbarinnen pflanzen will. Und dass die zwei das so aufgefasst haben, kannst du annehmen.
    „Bei uns nimmt man Rücksicht auf die anderen!“, hat die Glatze-Mutter über die Ribiseln gekeift.
    „Und zieh dir gefälligst drunter etwas an!“, hat die Locke-Mutter über die Ribiseln gekeift.
    Glatze ist aufgestanden, hat den Ribisel-Zaun überstiegen und ist zur Loretta gegangen. Mit nackten Füßen durch die Brennnesseln. Dabei ist Glatze sonst keiner, der Schmerzen heldenhaft aushält. Er hat einen Arm um die Schultern von der Loretta gelegt und gesagt: „Lass sie reden, kümmer dich überhaupt nicht drum!“
    Die Loretta hat sich an Glatze gelehnt und ihren Hintern gerieben, weil der rot und voll Brennnessel-Bläschen gewesen ist.
    Die Locke-Mutter hat den Rückzug angetreten, die Glatze-Mutter ist bei den Ribiseln geblieben. Mit über der Brust verschränkten Armen hat sie grimmig auf ihren Sohn gestarrt. Und der hat nicht minder grimmig zurückgestarrt, bis sie aufgegeben hat und abmarschiert ist.
    „Warum mag mich denn deine Mama nicht? Ich hab ihr doch gar nichts getan“, hat die Loretta gefragt.
    Glatze hat mit den Schultern gezuckt und „Die meint das nicht so“ gemurmelt. Hat ja schlecht sagen können, dass sie mit „Pöbel“ nichts zu tun haben will.
    „Na, Hauptsache, ihr mögt mich!“ Die Loretta hat den Ghetto-Blaster geschnappt und ist übers Fensterbrett in die Küche gehechtet. Glatze ist hinter ihr her geklettert. Dass die Loretta „ihr“ gesagt hat, ist ihm sicher nicht recht gewesen. „Du“ wäre ihm garantiert lieber gewesen.

GLATZE IST WIRKLICH KEINER, DER sich um Ordnung viel schert. Er ist ein echter Schlampsack, was bloß nicht auffällt, weil seine Mutter dauernd hinter ihm herräumt. Aber die Küche im 19er-Haus hat ihn doch gewaltig verstört. So etwas hatte er noch nie gesehen! Überall schmutzige Teller und verpapptes Esszeug, verdreckte Reindln, geöffnete, leere Dosen, volle Aschenbecher, fettige Pizza-Kartons, zerknüllte Papierln, ein paar angeschimmelte Paradeiser dazwischen und die zwei Becken der Abwasch randvoll mit Dreckwasser, in dem Bröckerln geschwommen sind.
    „Der Abfluss ist nämlich total verstopft“, hat die Loretta gesagt. „Und der Durchlauferhitzer ist kaputt. Der im Bad auch! Und der Eiskasten ist auch im Arsch, der brummt dauernd, kühlt aber nicht.“
    Sie hat sich gebückt, den grauen Slip und den roten Seidenschal, die unter dem Küchentisch gelegen sind, gegrapscht und ist zur Küchentür raus. „Glatze, siehst du vielleicht wo eine Sicherheitsnadel?“, hat sie von draußen gerufen.
    Glatze hat einen Stapel Pizza-Kartons vom einzigen Küchensessel auf den Küchentisch übersiedelt, hat sich hingesetzt und ratlos umgeschaut. Aber die Loretta ist ohnehin schon wieder in die Küche gekommen. Im Slip, mit dem Schal, dreimal um die Brust gewickelt. „Geht auch ohne“, hat sie gesagt und das lose Schalende in den seidenen Brustwickel gestopft. Dann hat sie aus dem obersten Pizza-Karton ein Restl vertrocknete Pizza geholt und verputzt.
    „Schlafen deine Eltern noch?“, hat Glatze gefragt.
    Kauend hat die Loretta gemömelt, dass der Zopferl und ihre Mama für drei Tage weg sind. Wegen einer dringenden Wohnungsräumung in der Nähe von Hollabrunn. So etwas, hat sie Glatze

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