Lumpenloretta
erklärt, macht viel Arbeit, die kriegt man nicht in einem Tag hin.
„Deine Eltern lassen dich drei Tage lang ganz allein hier?“ Glatze hat es nicht fassen können.
„Ich bin doch kein Baby mehr.“ Die Loretta hat den letzten Pizza-Bissen geschluckt und sich die fettigen Finger abgeschleckt. „Um neun holen mich Zecke und Zahn mit den Radln ab. Kommst auch mit zum Teich?“
Glatze hat gefragt: „Musst du nicht wegen dem Zeugnis aus Italien auf den Briefträger warten?“
Die Loretta hat den Kopf geschüttelt. „Heute ist doch Sonntag, da kommt nicht mal ein Expressbrief. Außerdem wird der Zopferl das Zeugnis selber aus Italien holen.“
„Aber das Zeugnis ist doch jetzt schon mit der Post unterwegs“, hat Glatze gesagt.
„Das war ein Irrtum!“ Die Loretta hat die anderen Pizza-Kartons auf Restln durchsucht, hat aber keines mehr gefunden. „So verbotene Sachen holt man nämlich besser selber, damit die Sache nicht auffliegt. Briefe werden nämlich von der Polizei oft heimlich durchleuchtet.“
„Wann holt er es denn?“, hat Glatze gefragt.
„Demnächst. Wenn er Zeit hat.“ Die Loretta hat sich auf eine Tischecke gesetzt und mit einem Zeigefinger Pizza-Brösel aus einer Pizza-Schachtel aufgepickt und in den Mund gesteckt. „Er ist gerade im Stress.“
„Aber in einer Woche fängt doch schon die Schule an“, hat Glatze gesagt.
„Vielleicht sind die Mama und der Zopferl eh schon nach Italien gefahren, wenn die Wohnungsräumung doch schneller gegangen ist.“ Die Loretta hat weiter Pizza-Brösel aufgepickt. „Und vielleicht gehe ich sowieso überhaupt in eine Schule, wo es gar keine Noten und keine Zeugnisse gibt. Solche Schulen gibt es. Die kosten zwar sehr viel Geld, aber das haben wir jetzt ja.“
Glatze hat auf die Uhr geschaut. Fünf Minuten vor neun Uhr ist es gewesen. Er ist aufgestanden. „Ich hol mein Radl und warte auf der Straße auf Zecke und Zahn“, hat er gemurmelt, ist durchs Küchenfenster raus und über die Ribiseln. Total belämmert hat er dreingeschaut. Wie einer eben, der nicht weiß, was er sich denken soll, abgesehen davon, dass man ihm gerade gewaltigen Mist erzählt hat.
WIE GLATZE SEIN FAHRRAD DIE Kellerstiege raufgetragen hat, ist seine Mutter aus der Küche gekommen, hat vor der Haustür Stellung bezogen und gefragt, wohin er fahren will.
„Zum Teich!“ Glatze hat sein Fahrrad auf die Haustür zugeschoben. „Mit Zecke und Zahn.“
„Und dieses Irrsinnskind von nebenan kommt auch mit?“, hat die Glatze-Mutter gefragt.
Glatze hat ihr keine Antwort gegeben. Die Glatze-Mutter hat geseufzt und ist in die Küche zurück. Glatze hat sein Fahrrad auf die Straße rausgeschoben und Zecke und Zahn zugewinkt, die auf ihn zugeradelt sind.
Zecke und Zahn sind keine tollen Schwimmer. Wasser liegt ihnen weniger als Felsen. Und Glatze ist sowieso einer, der keine Art von Sport mag. Nur die Loretta ist aus dem Badeteich nicht rauszubringen gewesen. Zecke, Zahn und Glatze sind auf Zahns großem Badetuch gelegen und haben der Loretta beim Schwimmen zugeschaut und matt abgewinkt, sooft sie gerufen hat: „Kommt doch rein!“
„Deine Nachbarsbraut ist okay“, hat Zahn gesagt.
„Mit uns kompatibel“, hat Zecke gesagt.
„Mit uns was?“, hat Zahn gefragt.
„So viel wie passend!“, hat ihm Zecke erklärt.
„Aber ganz dicht ist sie nicht“, hat Zahn gesagt. „Diese Geschichte mit dem gekauften Zeugnis aus Italien, das ist doch Topfen, so was funktioniert nie im Leben.“
Das muss für Glatze aber echt ein harter Brocken zum Verdauen gewesen sein. Ihn hat die Loretta auf Vater-Mutter-Kind-tot-blind schwören lassen, dass er niemandem davon erzählt, und kaum hat sie Zecke und Zahn kennen gelernt, wissen die es auch. Und zwar ohne Deppen-Schwur auf Vater-Mutter-Kind-tot-blind. Denn hätten die beiden schwören müssen, hätten sie ja nichts davon gesagt. Schwüre nehmen Zahn und Zecke ernst.
Glatze hat sich vom Badetuch hochgerappelt.
„Gehst ins Wasser?“, hat Zahn gefragt.
Glatze hat genickt.
„Wäre nicht falsch, wenn du unsere Zirkusprinzessin rausholst“, hat Zecke gesagt, „sonst besteht Gefahr, dass ihr Schwimmhäute zwischen Zehen und Fingern wachsen!“
Glatze ist langsam ins Wasser rein. Scheißkalt ist es ihm vorgekommen, viel zu kalt zum Schwimmen. Wie er bis zum Bauchnabel im Wasser gewesen ist, ist die Loretta auf ihn zugeschwommen und hat gerufen: „Da gibt es Fische, Glatze! Ich hab gerade einen dunkelgrauen gesehen, der war mindestens
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