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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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hervorgebracht,
    und wird alles ersäufen, was wiedererstehen will,
    und wird alles fluten, wo je etwas erwachsen kann,
    und die Erde des Lebens wird überschwemmt sein vom Wahn. «
    Ich
atmete scharf ein und legte das Blatt beiseite, obwohl ich noch nicht alles
gelesen hatte. In meinem Kopf war ein hoher Pfeifton, der in den Ohren
schmerzte, obwohl er unzweifelhaft von innen kam. Meine Lippen waren mit einem
Mal staubtrocken, und ich erhob mich hastig, um einen tiefen Schluck von dem
Wasserkrug zu nehmen, der noch immer auf meinem Tisch stand.
    Bei
Gott, Andreas hatte recht. Ich konnte das lesen. Warum konnte ich das
lesen?
     
    Mit einem Ruck fuhr
ich im Bett hoch. Ich wusste nicht, wie es mir gelungen war, nach allem, was
ich erlebt hatte, Schlaf zu finden, aber offensichtlich hatten mir die
vergangenen Tage im Glockenturm stärker zugesetzt, als ich gedacht hatte, denn
sobald ich mich nach meiner beängstigenden Entdeckung auf den Laken
ausgestreckt hatte, war ich bereits ins Land der Träume hinübergeglitten.
Allerdings waren es weiß Gott keine angenehmen Träume gewesen.
    Das
untrügliche Gefühl, nicht mehr alleine zu sein, hatte mich schließlich aus
meinem tiefen Schlaf gerissen. Angestrengt blinzelte ich ins Halbdunkel meines
Gemachs, erwartend, dass Andreas erneut einen Diener nach mir geschickt hatte,
der mich zu ihm führen würde. Stattdessen stand der Magier selbst vor mir.
    Erschrocken
raffte ich meine Decke hoch, wie um mich zu bedecken, was natürlich unsinnig
war. Schließlich trug ich dieselbe Kleidung wie seit Tagen (ich hatte andere
Sorgen, als mich um Hygiene zu kümmern) und Andreas bekam nicht weitaus mehr zu
sehen als sonst. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie ertappt.
    »Ich
habe dich geweckt«, stellte Andreas fest, während er näher trat.
    Ich
sah zu ihm empor, wobei ich den Kopf weit in den Nacken legen musste. Gab es
ein unangenehmeres Gefühl, als im liegenden Zustand zu jemandem aufzuschauen,
der einem schon dann weit überlegen war, wenn man sich mit ihm auf Augenhöhe
befand?
    »Ja.«
Es hatte keinen Sinn, zu leugnen.
    »Hast
du es gelesen?«
    Ich
bejahte erneut, und eine Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper, als
Andreas sich an den Rand meines Bettes setzte. Das schien mir zu intim, zu
persönlich. Der von Natur aus kalte Blick seiner Augen, die regungslos auf mich
herabstarrten, machte es auch nicht gerade besser.
    »Es
verstanden?« Ich nickte. »Und du hast deine Entscheidung getroffen?«
    Darauf
antwortete ich nicht. Meine Augen fixierten das Laken, und ich begann es mit
schweißnassen Händen zu zerdrücken.
    »Nun?«
    »Noch
… nicht.«
    »Laura,
du weißt …«
    »Bitte«,
fuhr ich ihm plötzlich ins Wort. Mein Kopf ruckte nach oben, und ich erwiderte
Andreas´ Blick. »Nicht noch einmal.«
    Andreas
nickte stumm. Ich war überrascht, wie erholt er an diesem Tag aussah. Die
tiefen Falten und Schatten waren aus seinem Antlitz verschwunden, selbst seine
Finger waren nicht mehr so erschreckend dürr. Unvermittelt fragte ich mich, was
über Nacht mit ihm geschehen sein mochte, das ihn erneut so grundlegend
verändert hatte.
    »Du
starrst mich an, Laura.«
    »Ja,
das tue ich wohl. Entschuldige. Es ist nur so, dass ich gestern den Eindruck
hatte, als seist du krank. Aber heute geht es dir wohl wieder besser, nicht
wahr?«
    Andreas´
Mundwinkel zuckten. »Ich hatte gestern bloß eine Migräne. Das kommt bei mir gelegentlich
vor.«
    »Bei dir? «
    »Was
willst du damit andeuten, Laura?«
    »Ach,
nichts weiter. Tut mir leid, das war eine dumme Frage.« Ich räusperte mich
unbehaglich. Seine Hand lag schwer auf meiner Decke, wärmer als gestern, aber
noch immer kühler als die Haut der meisten Menschen. Ich hatte das plötzliche
Bedürfnis, seine Finger zu berühren, um mich zu versichern, dass sie echt waren
und nicht bloß fleischfarbene Handschuhe, die er sich über seine Skeletthände
gestülpt hatte.
    »Also
… hast du dich nun entschieden?«, hakte Andreas weiter nach.
    Diese
Frage hatte er mir bereits gestellt, aber da er nicht mit der Antwort zufrieden
war, tat er so, als wüsste er das nicht mehr. Dass ich das erkannte, änderte
nichts daran, dass seine Methode Erfolg haben würde. Er hatte ja recht, ich
musste meine Wahl nun treffen.
    »Was
wäre, wenn ich ablehnen würde?«, fragte ich schließlich.
    »Das
wirst du nicht.« Es war eine Feststellung, keine Drohung. Andreas´ Miene war
die pure Gelassenheit. Er schien mich besser zu kennen als ich mich

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