Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
Vom Netzwerk:
ruhten nun beide auf den meinen, drückten
mich sanft, aber nachdrücklich in die Laken. Wieder roch ich seinen erdigen
Atem, wieder spürte ich dessen Hitze in meinem Gesicht. Ich wollte mich gegen den
Griff des Magiers wehren, konnte es jedoch nicht, war wie betäubt.
    »Keine
Sorge«, sagte er. »Dies ist keine Aufgabe, die wir dich alleine bestreiten
lassen werden. Du bekommst Unterstützung.«
    Mit
einem Mal spürte ich, wie eine dunkle, drückende Präsenz das Zimmer erfüllte,
mir ums Gesicht strich wie ein klammer Windhauch. Ich kannte dieses Gefühl, und
diese Erkenntnis verschlug mir beinahe den Atem.
    »Nicht.«
Meine Stimme war kaum mehr denn ein stimmloses Wispern. »Bitte. Nicht.«
    Unsere
Lippen berührten sich nicht. Nicht einmal unsere Gesichter taten es. Unsere
Nasenspitzen waren noch immer einige Zentimeter voneinander entfernt, trotzdem
spürte ich mit übergroßer Deutlichkeit, wie sein schwer riechender Atem sich
mit dem meinen vermischte, meine Kehle hinabtropfte wie zähes Öl. Und plötzlich
war sie da, war in mir , diese Präsenz, die ich schon einmal gefühlt
hatte, nur war sie diesmal ungleich stärker. Schon damals hatte sie mich fast
um den Verstand gebracht.
    » Er wird dich begleiten«, hörte ich Andreas´ Stimme wie aus weiter Ferne.
    Dann
stieg eine erstickende Schwärze aus den Tiefen meines Bewusstseins auf, tastete
nach meinem Verstand und schloss ihn in eine unnachgiebige Umarmung. Ich japste
nach Luft, wollte das Fremde, das Andreas in meinen Leib geschleust hatte,
durch heftiges Atmen wieder ausstoßen, doch vergebens.
    »Leb
wohl, Laura.« Nur noch ein verschwindendes Echo, das verhallt war, ehe es mich
ganz erreichte. »Ich bin überzeugt davon, dass du deine Sache gut machen wirst.
Gib auf dich acht. Leb wohl.«
    Dann
kam er doch noch, der Kuss, der meine noch immer offenstehenden Lippen
verschloss. Zumindest glaubte ich, dass es so etwas wie ein Kuss war, da sein
Mund über den meinen streifte, doch die Berührung war leicht wie eine Feder und
beinahe sofort wieder vorüber. Dann war Andreas´ Gesicht verschwunden, ebenso
wie seine Hände, die mich in die Laken drückten. Ich spürte es kaum mehr, denn
die Schwärze hatte mein Bewusstsein endgültig überrollt und mich sowie alles,
was mich umgab, ins Nichts befördert.
     
     
     

Teil 3
    Der Ruf der Glocken
     
    Und im
Turm allein
    Jene
knöcherne Sippe,
    Jene
fahlen Gerippe,
    Allein,
allein,
    es sind
nicht Männer, nicht Weiber,
    Nicht
Tier- und nicht Menschenleiber,
    Es ist
Gebein!
    Es sind
nachtwandelnde Geister,
    und ihr
König, das ist der Meister,
    Und er
zieht, und er zieht, und er zieht,
    Aus den
Glocken sein schauerliches Lied, […]
    Und
[er] schwingt den ächzenden Strang,
    Zu
einem Triumphgesang,
    Und er
schwingt, und er schwingt, und er schwingt,
    Auf und
ab, auf und ab, auf und ab,
    Und er
winkt, und er winkt, und er winkt
    In das
Grab, in das Grab, in das Grab.
     
    Die
Glocken, Edgar Allan Poe

Kapitel I
     
    Als ich wieder zu
mir kam, fand ich mich auf schmutzigem Asphalt wieder. Mein Schädel dröhnte,
als hätte ich vor dem Schlafengehen ein paar Gläschen zu viel gekippt, und in meinen
Gliedern – nein, in meinen Knochen – war ein dumpfes, hartnäckiges
Pochen, das ich zum letzten Mal als Kind verspürt hatte. Meine Mutter hatte das
immer einen »Wachstumsschub« genannt. Damals allerdings war dieser merkwürdige
Schmerz nur auf einen einzelnen Arm oder ein Bein beschränkt gewesen, nun
verspürte ich ihn im gesamten Skelett, und das so heftig, dass es sich
anfühlte, als hätte jemand jeden einzelnen Knochen in meinem Leib zu Schlacke
geschmolzen und anschließend wieder zusammengegossen.
    Einige
Hosenbeine, die in teuer aussehenden Schuhen endeten, bewegten sich an meinem
Gesichtsfeld vorbei, und ich wunderte mich, warum keiner der Passanten anhielt,
um sich nach mir zu bücken oder wenigstens einen Blick auf mich zu werfen.
Einzig ein kleiner Junge, der an der Hand einer jungen Frau ging, blieb kurz
stehen und senkte den Kopf, um mich mit einer Reihe unvollständiger Zähne
anzugrinsen, wurde jedoch sofort energisch weitergezogen.
    Was
war nur mit dieser Welt los? War es heutzutage schon so alltäglich, Jugendliche
halb besinnungslos in der Gosse liegen zu sehen, dass man sie nicht einmal mehr
eines Blickes würdigte?
    Ich
ächzte und versuchte, mich aufzurichten. Es gelang mir nicht, und nach der
Dauer eines Atemzuges begriff ich auch, wieso.
    Ich
hatte keine Arme mehr.
    Ein
entsetzter Schrei

Weitere Kostenlose Bücher