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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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wollte sich aus meiner Kehle befreien, aber was meinen Mund
verließ, war ein heiseres Krächzen. In Panik zuckte mein Kopf nach rechts und
nach links, und ich begann, heftig mit den neuen Flügeln zu flattern, die plötzlich
aus meinen Schultern ragten. Als ich an mir hinabsah, erblickte ich einen von
schwarzen Federn bewachsenen, runden Leib, der in einem Paar grauer, mit Krallen
besetzter Füße endete.
    Himmel,
ich war eine Krähe!
    Beruhige dich, das ist nur vorübergehend. Nun richte dich auf. Bewege
dich langsam, damit du dich an deinen neuen Körper gewöhnst. Sobald du es dir zutraust,
such dir einen geeigneten Platz und schwing dich in die Lüfte. Deine Aufgabe
wartet nicht.
    Die
Stimme erklang klar und deutlich in meinem Kopf, und als sie ertönte, beruhigte
ich mich beinahe augenblicklich. Meine Panik flaute ab, mein Atem normalisierte
sich, meine Flügel hörten auf, wild auf den Asphalt einzudreschen. Mit einem
einzigen, kraftvollen Hops war ich auf meinen dürren Beinen.
    Gut,
offensichtlich war ich eine Krähe. Das konnte passieren. Wenn die Stimme, die
aus dem Nichts kam, behauptete, dass alles in Ordnung sei, dann glaubte ich ihr
das.
    Ein
heiseres Lachen drang aus meinem Schnabel. Das Kind von zuvor, das bereits
einige Meter entfernt war, verrenkte sich beinahe den Nacken, als es diesen
Laut hörte, und riss sich von der Hand seiner Mutter los, um begeistert in die
Hände zu klatschen. Zumindest hatte ich etwas getan, was den Kleinen amüsierte.
    Deine Aufgabe , erinnerte mich die Stimme
scharf. Es ist Zeit, den Himmel zu erkunden.
    Das
klang in meinen Ohren durchaus vernünftig. Vögel fliegen, das ist der Lauf der
Dinge.
    Ich
spreizte meine Flügel und testete, wie es sich anfühlte, wenn ich den Wind
hindurchstreichen ließ. Es war fantastisch. Wie von selbst entfächerte sich
mein gefiederter Schwanz, wiegte sich in der aufkommenden Brise. In diesem
Moment begriff ich, dass ich es tun konnte. Ich würde mich vom Boden abstoßen
und in den Himmel schrauben. Mein Flügelpaar schlug langsam und kraftvoll auf
und ab, meine Beine spannten sich. Der Wind, der mich am Rücken packte wie eine
stützende Hand, kam aus einer günstigen Richtung und würde mich zusätzlich emportragen.
    Flieg! , zischte es.
    Und
da flog ich. Meine Schwingen katapultierten mich in die Höhe, und nachdem ich
erst den Erdboden abgestreift hatte, der bislang an meinen Füßen gezerrt hatte,
wurde ich beinahe wie von selbst im Himmel gehalten. Der Asphalt, auf dem ich
eben noch hilflos und wie zerschmettert gelegen hatte, entfernte sich immer
weiter von mir, und die Menschen darauf schrumpften zu winzigen Punkten zusammen,
die selbst meine überaus scharfen Vogelaugen nur noch mit Mühe erkennen
konnten.
    Ein
begeistertes Krächzen drang aus meinem Schnabel, und ich vollführte eine kunstvolle
Drehung in der Luft, bei der meine Flügel wie Tanzschleier um mich wirbelten.
Kaum zu glauben, dass die Vorstellung, eine Krähe zu sein, noch vor wenigen
Minuten Panik in mir hervorgerufen hatte.
    Wir haben keine Zeit für Vergnügungen , mahnte
die Stimme in mir. Du weißt, wohin es dich ziehen sollte.
    Zum
ersten Mal nahm ich das Flüstern aus meinem Inneren mit Unwillen wahr. Nur zu
gerne hätte ich das Drängen ignoriert, doch ich konnte es ebenso wenig, wie ich
mich meines Federkleids entledigen konnte.
    Gehorsam
drehte ich ab und bewegte mich in die Richtung, in welche mich die Hand in
meinem Kopf lenkte. Eine Reihe von Häuschen zog unter mir vorüber, umgeben von
Flecken verwaschenen Grüns, bei denen es sich um Gärten handeln musste. Ich
schien mich wohl in einer besseren Gegend zu befinden. Nicht, dass mich das als
Vogel besonders gekümmert hätte.
    Plötzlich
ging ein spürbarer, harter Ruck durch die Wirklichkeit. Ich krächzte erschrocken
auf, als ich deutlich fühlte, wie die Welt sich ein Stück verschob, ähnlich wie
ein Glied, das auf unmögliche Art und Weise verdreht und vielfach gebrochen
war. Übelkeit machte sich in meinem Magen breit, und das Schlagen meiner Flügel
wurde unregelmäßiger. Für einen entsetzlichen Moment trudelte ich Richtung
Erdboden, ein Helikopter, in dessen Rotorblätter jemand eine metallene Kette
geschleudert hatte.
    Hoch! , befahl die Stimme.
    Endlich
fand ich die Kraft in mir, meine Flügel wieder in Position zu bringen. Mein
winziges Herz klopfte heftig und so laut, dass es sogar das Rauschen des Windes
übertönte, der meine Federn zerzauste.
    Was war das? , fragte ich in

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