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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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dir ersparen.«
    Meine
Hände verkrampften sich ineinander, ich ließ mich von Andreas vom Fenster
fortschieben und aufs Bett drücken. Er setzte sich neben mich, barg meine bebenden
Hände in den seinen.
    »Als
ich das Buch verlor, starb ein Teil von mir«, sagte er, und sein Blick glitt in
die Ferne. Sinnend presste er die Lippen zusammen, ich konnte förmlich sehen,
wie die Bilder der Vergangenheit vor seinem inneren Auge aufstiegen. »Ich verkroch
mich wie ein Tier in meinem Turm, den ich mit Magie gegen das Eindringen
Fremder versiegelte. Dort verbrachte ich Jahre in einem eigentümlichen
Wachschlaf, bewegungslos, nicht essend, nicht trinkend, nur träumend. Erst, als
du älter wurdest und deine Aura sich mit Macht auflud, begann jener längst
vergessene Teil in mir, von dem ich dachte, er wäre für immer ausgelöscht, sich
zu regen. Ich spürte unsere gemeinsame Bestimmung, und schließlich, als du
volljährig geworden warst, gelang es mir, mich aus meiner Lethargie loszureißen
und von vorne zu beginnen.«
    »Es
ist also wahr«, sagte ich leise, während ich auf unsere Hände hinabstarrte. Sie
hatten beinahe dieselbe, blasse, ja fast durchscheinende Hautfarbe, unter der
sich die grauen Adern deutlich abzeichneten. »Wir sind durch das Schicksal aneinander
gebunden.«
    Andreas´
Blick klärte sich, er sah auf mich herab. »Hattest du jemals Zweifel daran?«
Sein Arm umfing mich wie eine kalte, hungrige Flamme, zog mich an seinen
steifen Körper. »Laura, ich werde dir nun ein Geheimnis anvertrauen. Dass wir
beide Auserwählte sind, ist kein Zufall. Mächte wie jene, die über unsere Köpfe
hinweg gebieten, verlassen sich nicht auf profane Zufälle, und im Übrigen
glaube ich nicht an sie. Nein, Laura, es war Bestimmung. Vor vielen Jahren, als
in meiner kalten Brust noch ein warmes, närrisches Herz schlug, warst du nicht
mehr als ein Ei in Schleim und Blut, das darauf wartete, in seine Existenz
gerufen zu werden. Du warst ungeformt, deine Zukunft ungewiss – ob du männlich
oder weiblich sein würdest, menschlich oder magisch, war noch nicht
entschieden. Es sollte sich durch mich entscheiden.«
    Ein
eisiger Schauer lief mir über den Rücken, und unvermittelt wollte ich mich
Andreas´ Arm entziehen. Doch in seiner Ekstase hatte er mich so fest an sich
gepresst, dass ich mich nicht rühren konnte, ohne Gewalt anzuwenden.
    »Ich
habe meinen Leib mit fremden Seelen gefüllt, um mächtiger zu werden«, fuhr er
fort, die Augen erneut unverwandt auf das Fenster und den dahinterliegenden,
sternenlosen Himmel gerichtet. »Aber auch Seelen haben Konsistenz, benötigen
Raum. Ein Mensch, der mehr in sich aufnimmt, als er soll, muss unweigerlich
etwas anderes aus seinem Inneren verdrängen, um Platz zu schaffen. Frage mich
nicht, ob es die erste oder die letzte Seele war, die die Entscheidung brachte
– einer der Lebensgeister, die ich mir unrechtmäßig zu eigen machte, muss zu
viel gewesen sein. Ich nahm jene Seele in mich auf wie all die anderen zuvor,
doch dabei wurde etwas aus meinem Leib verdrängt – etwas, das sich aus meiner
ureigensten Essenz gelöst hatte, von mir durchdrungen.« Er atmete scharf ein,
seine Hand ballte sich zur Faust.
    »Energie
löst sich niemals vollständig auf, Laura. Das weißt du. Und jener Garnfaden,
der von fremder Macht aus dem Hemd getrennt worden war, das mein Geist ist,
wickelte sich um dich winzigen, unvollendeten Embryo und prägte dich – auf
ewig.«
    Bunte
Lichtblitze erglühten vor meinen Netzhäuten, als ich die Lider fest zusammenpresste,
meinen dröhnenden, abgehackten Atem im Ohr, der wie Donner in mir widerhallte.
War das möglich? War ich nichts weiter als ein Abbild dieses Mannes, nicht
individueller als ein Fußabdruck in feuchter Erde, erzeugt von einem
unbedachten Wanderer? Ich wollte es nicht glauben, doch es machte so erschreckend
viel Sinn! Wie ein Abdruck war ich tief, wo der Fuß meines Gegenstückes hoch
gewesen war, und obwohl wir in vielen Dingen grundverschieden schienen, konnte
niemand abstreiten, dass wir charakteristische Eigenschaften teilten, die uns ausmachten.
    »Nun
weißt du es.« Andreas´ Stimme klang aufgeräumt und unbeeindruckt. Natürlich tat
sie das. Es war weit einfacher, sich seinem Geschöpf zu erkennen zu geben, als
selbst seinen Schöpfer zu erkennen.
    »Es
ändert nichts«, sagte ich nach einer schieren Ewigkeit. »Ich bin, was ich bin.
Ob ich nun durch die Gene meiner Eltern oder aus deinem Abfall entstanden bin,
spielt keine Rolle.

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