Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Es sind unsere Taten, die uns zu dem machen, was wir sind,
nicht unsere Herkunft.«
Ein
süffisantes Lächeln berührte Andreas´ Lippen. »Welch weise Worte für ein so
unerfahrenes Mädchen.«
»Du
scheinst dich sehr überlegen zu fühlen, aber den Spieß kann man auch umdrehen«,
konterte ich. »Du sagtest, du seist erwacht, als ich volljährig wurde. Daraus
lässt sich dann ja wohl schließen, dass du mindestens genauso abhängig von mir
bist wie ich von dir. Was auch immer du auf mich übertragen hast, du scheinst
es zu brauchen, um zu existieren.«
Ich
konnte geradezu sehen, wie durch Andreas´ Körper ein heftiger Ruck lief, als er
meine Worte hörte. Ein schwächerer Mensch hätte nun deutlich Furcht oder
zumindest Sorge gezeigt, doch Andreas hatte sich beinahe augenblicklich wieder
unter Kontrolle. »Es ist ein empfindliches Gleichgewicht der Kräfte«, sagte er
lediglich mit hohler Stimme. Seine Hand, die sich wieder auf meine gesenkt
hatte, zitterte sacht. »In uns wirkt nicht mehr und nicht weniger als jene
Macht, die das gesamte Universum zusammenhält. Ein Leben bedingt ein anderes.
Das ist der Lauf der Dinge.«
»Und
doch denkst du, dein Leben wiegt schwerer als meins«, beharrte ich in
provozierendem Tonfall. »Schwerer als das aller. Nicht wahr? So denkst du
doch!«
»Einst
dachte ich so. Heute bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.«
Dies
war ein überraschend ehrliches Eingeständnis für einen Mann wie ihn, und ich
konnte nicht verhindern, dass ich ihn erstaunt ansah.
»Es
ist wahr«, fuhr er mit leiser werdender Stimme fort, »ich bin nur noch mein
halbes Ich. Wahrscheinlich werde ich niemals wieder zu alter Größe gelangen,
aber durch dich werde ich zumindest eine letzte, bedeutende Tat vollbringen.«
»Die
Rettung der Menschheit«, warf ich ein.
Seine
Hand zuckte, als er nickte. »So ist es.«
Ich
verzog die Lippen zu einer bitteren Grimasse. »Ich habe es geahnt. Du tust das hier
nicht, weil es dir ein Bedürfnis ist oder dir diese Welt irgendetwas bedeutet –
sondern nur, weil du dir selbst deine Macht beweisen willst.«
Andreas
seufzte – und stöhnte plötzlich schmerzerfüllt auf.
Ich
zuckte zusammen. »Was? Was ist denn?«
Er
hob eine Hand an die Schläfe und verzog die Lippen zu einer Grimasse. Erst
jetzt bemerkte ich, dass sein Gesicht vor Schweiß glänzte. »Es wird immer
schwieriger, meine Diener unter Kontrolle zu halten. Die Veränderung erfasst
auch sie. Nicht mehr lange, und sie werden aufeinander losgehen.«
Ich
biss die Zähne zusammen. »Ich glaube, wir haben genug geplaudert.«
»Das
ist wohl wahr.« Ächzend wie ein alter Mann erhob Andreas sich. Mit einem Mal
wirkte er unvorstellbar müde und erschöpft. »Es wird Zeit, dich in ein weiteres
Geheimnis einzuweihen, Laura. Wie du weißt, bin ich nicht immer im Vollbesitz
meiner Kräfte. Die Magie, derer ich mich bediene, zehrt an mir, saugt das Leben
aus mir wie eine verdammte Zecke.« Er fletschte die Zähne zu einem unheimlichen
Grinsen.
Ich
erinnerte mich nur zu gut daran, als Andreas mir mehr wie Skelett denn Mensch
erschienen war und kaum genug Kraft hatte, sich auf den Beinen zu halten. Nur
wenige Stunden später war er wieder das blühende Leben gewesen, hatte sich
jedoch geweigert, mir zu verraten, was ihn so verändert hatte. In mir
jedenfalls hatte diese Erfahrung ernste Zweifel an seiner Menschlichkeit gesät.
»Die
magische Kreatur, die in mir lebt«, fuhr Andreas fort, noch immer krampfhaft
seine Zähne zeigend, »verleiht mir unbändige Macht, aber sie ist auch ein heißhungriger
Nimmersatt, der stetig mit neuer Lebensenergie gefüttert werden will. Wäre ich
auf meine eigenen geistigen Kräfte angewiesen, wäre ich schon lange nicht mehr
als eine leere Hülle, ein Hirntoter. Glücklicherweise weiß ich jedoch, wie ich
meine Reserven wieder auffüllen kann. Diese Technik wirst auch du schon sehr
bald brauchen, und deshalb werde ich sie dich heute lehren.«
Und
mit diesen Worten fasste er mich mit einer schweißnassen Hand am Arm und zog
mich mit sich. Hastig schnappte ich mir Krybch , das wie ein schlafendes
Tier auf der Decke neben uns geruht hatte, und schob es unter meine Kleidung,
während Andreas mich aus dem Zimmer führte. In unmittelbarer Nähe des Hauses schlug
ein mächtiger Blitz in den Boden ein und ließ die Erde erzittern.
Nur
noch wenige Stunden trennten uns vom Ende der Welt.
Kapitel IX
Taoyamas Nerven waren bis zum
Zerreißen angespannt. Die
Weitere Kostenlose Bücher