Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Grinsen spöttisch. »Natürlich, das solltet
ihr denken«, gab er zurück. »In Wahrheit liegen die Dinge etwas ...
komplizierter.« Der Strahl seiner Taschenlampe beschrieb einige verspielte
Kreise.
»Sie gehören zu Ihm .« Mit einem Mal erschien Taoyama alles überraschend klar. »Deshalb
sind wir mit unseren Nachforschungen, unseren Plänen auch nie vorangekommen.
Weil Sie das gar nicht wollten. Ganz im Gegenteil, vielmehr versuchten Sie, uns
überall, wo es möglich war, zu behindern.«
»Wieder ein
bemerkenswerter Schluss.« Diesmal applaudierte Brandt nicht. Sein gesamter Körper
war bis in die letzte Faser angespannt, und Nervosität schwängerte als
knisternde Spannung die Luft, vermischte sich mit der elektrischen Ladung des
Gewitters, das den Himmel wiederholt in zwei ungleiche Teile zerriss.
»Sie haben uns
alle hintergangen«, fuhr Taoyama fort. Mehr und mehr Szenarien schossen ihm in
den Kopf, die seine Worte zu belegen schienen. »Wahrscheinlich haben Sie sich
nur als unser Anführer aufgespielt, um uns alle gleichermaßen im Auge zu
behalten und zu verhindern, dass wir echte Fortschritte erzielen. Immer wieder
haben Sie uns ein paar Brotkrumen der Information, des Erfolges hingeworfen,
damit wir nicht misstrauisch wurden, aber im Grunde haben Sie stets Sorge
getragen, dass wir nichts, absolut nichts erreichten.«
Brandt hob ein
wenig die Schultern, was bei seiner verkrampften Körperhaltung wie das Zucken
eines Insekts wirkte. »Ich war schon immer ein Zugehöriger beider Seiten. Weißt
du, Hiroshi, wenn man die wahren Hintergründe eines Sachverhaltes kennt, trifft
man zuweilen Entscheidungen, die ein Unwissender nicht nachvollziehen kann, die
ihm – fälschlicherweise – vielleicht sogar grausam erscheinen. Er hat
für unsere Gemeinschaft mehr getan, als alle übrigen Mitglieder des alten und
neuen Zirkels zusammen. Als wir am verwundbarsten waren, hat Er die
Notwendigkeit eingesehen, zu den Waffen zu greifen. Ja, Er hat hart
durchgegriffen, oftmals zu hart, aber im Krieg gelten andere Regeln. Vor vielen
Jahren hat Er mich eingeweiht, mich aufgeklärt über Seine Ziele,
und es war mir ganz unmöglich, mich Seiner Logik zu verschließen. Damals
habe ich Ihn im Geheimen unterstützt, denn Anhänger, die Ihm offen angehörten, hatte Er mehr als reichlich. Mit Seiner Hilfe
gelang es uns damals, das Schlimmste zu verhindern. Dass heute überhaupt noch
Magier in dieser Stadt existieren, verdanken wir allein Seiner konsequenten Vorgehensweise.«
»Und nun haben
Sie die wenigen, die noch übrig waren, auch noch aus dem Weg geräumt«, zischte
Taoyama. Er kochte innerlich geradezu vor Wut, und der Schmerz über den
schändlichen Verrat in ihm war unermesslich. Er hätte für diesen Mann sein
Leben gegeben!
»Die damalige
Bedrohung durch die Polizei verlangte ihre Mittel, und die jetzige Situation verlangt
wiederum andere«, wandte Brandt bereitwillig ein. »Sieh in dich hinein, Hiroshi!
Tief in dir weißt auch du, dass nur Er die nötige Macht besitzt, das
drohende Unheil von uns abzuwenden.«
»Indem Er Menschen tötet?« Nun schrie Taoyama. Er wollte sich auf den Magier stürzen, ihn
schütteln, doch er war wie gelähmt vor Wut.
»Ich wollte
nicht, dass sie alle sterben«, widersprach Brandt, als wäre das eine
ausreichende Entschuldigung. Der Ernst in seiner Stimme war geradezu
provozierend. »Nur diejenigen, die es mussten. Leider läuft nicht immer alles
nach Plan. Ich hatte gehofft, das hier ohne viel Blutvergießen hinter mich
bringen zu können, doch als mir Widerstand entgegenschlug, musste ich handeln.
Ich bin mir sicher, dass du das verstehst.«
Wieder trat
Brandt einen Schritt auf Taoyama zu, wieder schossen die Arme des Japaners nach
oben, als wollten sie eine heranrollende Flutwelle aufhalten. Diesmal reagierte
Brandt erst nach einigen Sekunden auf Taoyamas Gestik, sodass er nur noch eine
Armlänge von seinem ehemaligen Schüler entfernt war, als er erneut mit steifen
Gliedern verharrte.
» Er kann
die Menschheit vor dem Untergang retten, Hiroshi«, sagte Brandt eindringlich.
»Ich weiß, dass Er die Macht dazu hat. Aber das Ritual, ohne das die
Welt im Chaos versinken wird, verlangt nach Opfern. Diese Opfer habe ich für Ihn gesucht und gefunden – nicht aus Bosheit oder Freude am Schmerz anderer, nur
aus Pflichtgefühl. Weder ich noch Er haben die Regeln gemacht, Junge,
begreifst du das? Aber wir müssen sie befolgen, um der Menschheit den Hals zu
retten. Und das muss unsere
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