Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Bedauern trat in Brandts Augen, und er streckte
eine einzelne, blutüberströmte Hand nach Taoyama aus. Angewidert verzog Taoyama
das Gesicht und machte einen Schritt rückwärts, sodass Brandt haltlos nach
vorne umkippte. Einmal regten sich seine Glieder noch schwach, der letzte
Versuch einer bereits toten Kreatur, wieder auf die Beine zu kommen, dann lag
er still. Unter seinem leblosen Leib trat grausiges Rot hervor, das der Regen
in Sekundenschnelle über den Asphalt verteilte und so in der Farbe des
Schmerzes und Zornes färbte.
Taoyama
schluckte hart und ließ das Messer in seiner Manteltasche verschwinden, ohne zu
registrieren, dass er dabei widerliche, schmierige Flecken auf seiner Kleidung
hinterließ. Nun, da die Adrenalinzufuhr seines Körpers sich allmählich wieder
normalisierte, spürte er den Schmerz seiner gebrochenen Nase und seines
gequetschten Halses beinahe überdeutlich.
Ächzend ging er
in die Knie und griff nach der Taschenlampe, die zwar ein wenig flackerte, aber
sonst unversehrt zu sein schien, um damit Brandts Körper sorgfältig
abzuleuchten. Kein Lebenszeichen. Er schien tatsächlich endgültig seinen
letzten Atemzug getan zu haben.
Taoyama seufzte
schwer und irgendwie erleichtert. Zuerst widerstrebte es ihm, aber schließlich
überwand er sich und tastete sorgfältig Brandts Kleider ab. Der Magier hatte
keine Waffen bei sich getragen, genau so, wie er es Taoyama gegenüber immer
behauptet hatte. Das schien ihm nun zum Verhängnis geworden zu sein.
Da ertastete
Taoyama etwas Nachgiebiges in Brandts Jackentasche, das er hervorzog und mit
der Hand vor dem strömenden Regen abschirmte. Es handelte sich um ein Stück
Papier, auf dem in krakeliger Handschrift etwas geschrieben stand,
wahrscheinlich eine Adresse. Darüber war in Großbuchstaben die Aufschrift
»ÜBERWACHEN« zu lesen. Rasch ließ Taoyama den Zettel in seiner Hosentasche verschwinden,
um zu verhindern, dass die Schrift darauf vom Regenwasser unleserlich gemacht
wurde.
Sein Blick
wanderte zu dem Haus mit dem roten Schindeldach, wo sich sein Schicksal entscheiden
würde. In einer Sache hatte Brandt recht gehabt: Es zeugte geradezu von
Größenwahn, ganz allein in diese Residenz des Bösen zu marschieren. Damit würde
er das Leben, das er eben erst zurückerhalten hatte, leichtfertig wegwerfen –
das seine ebenso wie das Marias. Er brauchte Verbündete, andernfalls war er verloren.
Dass es diese
Verbündeten noch gab, stand für ihn außer Zweifel, schließlich hatte er ihr
Wirken vor nicht allzu langer Zeit anhand des gemetzelten Krähenschwarms
gesehen. Er musste nur herausfinden, wo sie sich aufhielten.
Seine Hand
tastete automatisch nach dem Zettel, den er der Leiche entwendet hatte, und
entschlossen straffte er die Schultern. Einen letzten Blick warf Taoyama zu dem
reglosen Körper zu seinen Füßen, dann ging er raschen Schrittes davon und ließ
seinen Mentor tot und in seinem eigenen Blut zurück.
»Bist du bereit?« Hansen rückte
seinen gelben Regenmantel zurecht, wobei die Sohlen seiner Regenstiefel auf dem
Parkett quietschten wie Möwen. Er und Kiro trugen beide leistungsstarke,
klobige Taschenlampen in den Händen, Ersatzbatterien hatten sie in den Hosentaschen.
In den überaus auffälligen Regenmänteln, die sie nicht nur vor der Nässe
schützen, sondern auch dazu beitragen sollten, dass sie sich bei der draußen
herrschenden Witterung nicht aus den Augen verloren, wirkten sie wohl nicht
gerade wie glorreiche Helden, und Hansen befiel auch mehr und mehr der
Verdacht, dass sie diese Rolle auch mit ihren Taten nicht ausfüllen konnten. Alles,
was sie hatten, um Laura oder gar Ihn aufzuspüren, waren vage Vermutungen.
Zwar mussten beide über eine überaus weit strahlende Aura verfügen, doch nicht
einmal so grellleuchtende magische Fackeln wie diese waren auf große Entfernung
wahrzunehmen.
Hansen seufzte
und zog sich seine Kapuze noch etwas tiefer in die Stirn. »Kiro? Ich fragte, ob
du bereit bist?«
Der Junge
wirkte beinahe beängstigend ruhig. Nach allem, was er in den vergangenen
Stunden erfahren und durchlitten hatte, kam das einem Wunder gleich, und Hansen
hatte Wundern noch nie sonderlich getraut.
»Kann man für
so etwas denn je bereit sein?«, gab Kiro zurück.
»Da ist etwas
Wahres dran«, gestand Hansen. »Gut, es macht wohl keinen Sinn, noch länger zu
warten. Lass uns da raus gehen und ein paar wahnsinnigen Magiern in den Arsch
treten.«
Kiro hob die
Augenbrauen angesichts dieses farbigen
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