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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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Schulter des vollkommen perplexen Hansens flatterte, der den Vogel
zu Taoyamas Überraschung nicht verscheuchte, sondern ihm ganz im Gegenteil mit
dem Zeigefinger über das Köpfchen strich, was von dem Tier mit einem
zufriedenen Gurren quittiert wurde. Der Frage, woher denn nur dieser Vogel kam,
folgte eine umständliche Erklärung des Japaners, die er von unerwarteter Seite
bestätigt bekam. Der Junge, Kiro, hatte von dem Kanarienvogel gewusst, da Laura
Seibach selbst ihm bei irgendeiner Gelegenheit von dem Haustier berichtet
hatte. Er erinnerte sich auch noch gut an seinen Namen, der dem Tier endgültig
einen schon fast menschlichen Charakter verlieh.
    Isis
selbst hatte sich zu diesem Gespräch nicht geäußert, sondern sich vollständig
auf den Arzt fixiert. Hansen wusste sich dieses Verhalten ebenso wenig zu
erklären wie der Rest der Gruppe, doch auch er schien heilfroh über die nette
Gesellschaft. Der Schmerz der Erinnerung, der bei Brandts Erwähnung sein
Gesicht verzerrt hatte, verschwand beinahe restlos.
    Alles
in allem benötigten sie wohl gute vierzig Minuten, um alle Fragen zu
beantworten und genug Vertrauen zueinander zu fassen, endlich aufzubrechen. Da
der »schwarze Mond«, wie Eloin ihn mit ihrer rauchigen, geheimnisvollen Stimme
nannte, bereits hoch am Himmel stand und bald seinen Zenit erreicht haben
würde, war es allerhöchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. Gemeinsam warfen
sie sich erneut in den Sturm.
    Nun
stemmte Taoyama sich gegen den brüllenden Orkan, der ihn von den Füßen zu fegen
drohte. Seine Hände hatte er mit einer grimmigen Befriedigung tief in seine
leeren Manteltaschen vergraben, denn Isis hatte es vorgezogen, sich in Hansens
Kleidung zu verkriechen. Da nur er den richtigen Weg kannte, musste Taoyama den
Trupp anführen, aber er sah kaum die Hand vor Augen, geschweige denn seine
Begleiter, die immer wieder gegenseitig nach dem Rücken ihres Vordermanns tasteten,
um sich nicht zu verlieren. Mehrmals musste Taoyama innehalten und ratlos den
Kopf nach allen Seiten wenden, da es ihm nicht gelang, sich in dem Unwetter zu
orientieren. Er wusste, dass das Haus mit dem roten Schindeldach nicht weit entfernt
war, aber das änderte nichts daran, dass er es in der durchstürmten Nacht nicht
ausmachen konnte.
    Der
Sturm wurde immer heftiger, Blitze zuckten in rascher Abfolge auf die Erde
herab, und bald schwelte der Boden an zahlreichen Stellen. Mehr als einmal wich
Taoyama nur knapp einer stinkenden, dampfenden Pfütze aus, in der sich
geschmolzener Asphalt gesammelt hatte und die ihm mit Sicherheit die Schuhe von
den Füßen gebrannt hätte, und mit etwas weniger Glück auch gleich das darin befindliche
Fleisch von den Knochen. Ihr Weg entwickelte sich zusehends zu einem tödlichen
Spießrutenlauf.
    Taoyama
machte sich nichts vor. Ihre Chancen, Sein Versteck rechtzeitig zu
erreichen, waren geradezu mikroskopisch klein. Und selbst wenn es ihnen wider
allen Erwartungen gelingen sollte, fingen dann ihre Probleme erst richtig an.
Niemand von ihnen hätte es laut ausgesprochen, das war auch gar nicht nötig.
Sie alle wussten, dass Er keinen Finger rühren würde, um ihnen
beizustehen. Viel wahrscheinlicher war, dass sie tot sein würden, ehe sie auch
nur den Mund geöffnet hätten.
    Aufgeben? , erklang eine hysterische Stimme in
seinem Inneren. So knapp vor dem Ziel? Nach allem, was du durchgemacht hast,
streckst du die Waffen?
    Taoyama
ballte die Hände zu Fäusten. Er zitterte vor Kälte und Anstrengung, seine
Glieder waren ermüdet, seine Moral zerschlagen. Aufgeben? Ja, genau darauf
schien es hinauszulaufen.
    Abrupt
blieb Taoyama stehen, die Kiefer fest zusammengepresst. Seine Begleiter, die
irgendwie spürten, was in Taoyama vorging, wandten sich ihm verwundert zu, und
der Japaner öffnete bereits den Mund zu den alles entscheidenden Worten – als
plötzlich etwas überaus Sonderbares geschah.
    Noch
immer stürzte der Regen in gewaltigen Mengen auf sie herab und verwandelte die
Straße in einen wahren Sturzbach, über ihren Köpfen wetterleuchtete es wie bei
einem Wackelkontakt der Lampe des Universums. Und dann ...
    Dann
war es plötzlich vorbei. Der Sturm ebbte nicht etwa ab, sondern war von einer
Sekunde auf die andere verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Eine gespenstische
Stille legte sich über die Straßen, die so vollkommen war, dass Taoyama sie
beinahe schon wieder als ohrenbetäubend laut empfand.
    »Was
... was ist passiert?«, fragte er perplex. Er wandte sich an

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