Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
um
zuzuschlagen. Wir brauchen keine Möchtegernhelden, die jeden noch so schweren
Treffer in Kauf nehmen, um dann im Stehen und noch mit der Waffe in der Hand zu
verenden. Nein, Hiroshi, was wir brauchen, sind Leute, auf die wir zählen
können, die am Leben bleiben wollen und es auch tun, um ihre Aufgabe zu
erfüllen. Angst ist ein natürliches Warnsignal, das uns hilft, Gefahren
rechtzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen. Sie ist nicht unser Feind, doch
das hat die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte wohl vergessen.«
»Warum
wollten Sie mich sprechen?«, unterbrach Taoyama, dem durch Brandts
Schlacht-Metapher auch nicht gerade wohler zumute war, diesen unerwarteten Redefluss.
Brandt
verhakte seine kräftigen Finger ineinander, während er sinnend seinen Körper
vor und zurück wiegte. »Es hat mich beeindruckt, wie reaktionsschnell du vor
einigen Tagen gehandelt hast. Damit hast du uns viele Unannehmlichkeiten
erspart. In dir steckt eine Menge Potenzial, augenblicklich allerdings noch so
gut wie ungenutzt. Ich will dafür sorgen, dass sich das ändert.« Er machte eine
kurze Pause, während der er Taoyamas Reaktion genauestens im Auge behielt. »Ich
werde deine Ausbildung übernehmen.«
Darauf
hätte Taoyama eine äußerst intelligente, wohlbesonnene und dankbare Antwort
geben können, doch was herauskam, war stattdessen: »Meine bitte was?«
Brandts
Mundwinkel zuckten in sanftem Spott. »Deine Ausbildung . Oder denkst du
etwa, das Wissen über den Gebrauch der alten Kunst ist etwas, das man mit
Löffeln frisst? Magie ist vergleichbar mit einer Wissenschaft – sie muss
studiert werden.«
»Aha«,
machte Taoyama, was auch nicht besser als seine erste Erwiderung war. Seine Kopfschmerzen
hatten einen neuen Höhepunkt auf der Richterskala erreicht.
»Deine
Begeisterung hält sich wohl in Grenzen?«, bemerkte Brandt trocken, nachdem er
den Japaner eine Weile prüfend gemustert hatte. Er hatte mittlerweile damit
aufgehört, seinen Körper zu wiegen wie ein Kind, das sich langweilte, und die
plötzliche Ruhe seiner breiten, dunklen Gestalt beunruhigte Taoyama.
»Das
ist es nicht«, beeilte er sich daher zu sagen. »Es ist nur so, dass ich zwar
mit dem Wissen über die Existenz von übernatürlichen Kräften aufgewachsen bin,
aber niemals direkt damit konfrontiert wurde. Ich komme mir vor wie ein
gläubiger Katholik, der plötzlich einem leibhaftigen Engel begegnet, der ihm
sagt, dass er ihn für eine Erkundungstour durch den Himmel mitnimmt – und das
ohne Trinkgeld.« Taoyama lachte auf, verstummte aber rasch, als er bemerkte,
wie hysterisch er klang.
Brandt
nickte verständnisvoll, sein Oberkörper neigte sich ein winziges Stück nach
vorne. Die Anspannung von zuvor begann sich wieder aus seinen Muskeln zu verflüchtigen.
»Da
fällt man schon mal aus allen Wolken, natürlich. Aber du wirst sehen, dass das
Erwerben dieses Wissens vollkommen natürlich vonstattengehen wird. Es liegt dir
gewissermaßen im Blut, auch wenn wir etwas nachhelfen müssen. Ich bin überzeugt
davon, dass du das erfolgreich meistern wirst.«
»Was
ist mit den anderen?«, wollte Taoyama wissen. »Unterrichten Sie die auch?«
Brandt
zuckte mit den Schultern. »Einige. Nicht alle eignen sich dafür.«
»Wäre
es nicht sinnvoll, so viele wie möglich von uns mit Grundwissen auszustatten?«,
fragte Taoyama stirnrunzelnd. »Um unseren ... Feinden Paroli bieten zu können?«
Brandt
verzog die Lippen. »Natürlich wäre das sinnvoll, aber auch der Tag eines
Magiers hat nur vierundzwanzig Stunden. Ich kann mich unmöglich um drei Dutzend
Schüler kümmern.«
Taoyama
räusperte sich unbehaglich. »Natürlich können Sie das nicht.« Mit einem Mal kam
er sich dumm vor. »Was also wird nun geschehen?«, fragte Taoyama, nachdem sie
einige Sekunden in Schweigen zugebracht hatten.
»Du
wirst einen Auftrag für mich erledigen. Dazu brauchst du vorerst kein
gesondertes magisches Wissen – nur die Eigenschaften, die du ohnehin schon
hast. Du musst aufmerksam sein und Gefahren abschätzen können. Traust du dir
das zu?«
Taoyama
zuckte mit den Schultern. »Nun ja, ich denke schon.«
»Ausgezeichnet.
Ich möchte, dass du dich in der Stadt umsiehst und potenzielle Spione
sicherstellst, die uns gefährlich werden können. Greif allerdings nicht selbst
ein, wenn du auf etwas gestoßen bist, sondern präge dir bloß Aussehen und
Aufenthaltsort der entsprechenden Personen ein, und dann lass sie gehen. Wir
werden uns später um sie
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