Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
im Weg bist.«
Kiro
schnaubte. »Das würde Ihnen so passen. Ich werde hierbleiben.«
Hansen
schickte Kiro einen vernichtenden Blick, der Metall zum Schmelzen gebracht
hätte. »Mir ist egal, wie du mit deinen Eltern sprichst, aber in meinem Haus
gelten gewisse Regeln. Regel Nummer eins: Ich habe immer recht. Regel Nummer
zwei: Sollte ich einmal nicht recht haben, tritt sofort Regel Nummer eins in
Kraft. Du gehst nach oben, oder ich sorge dafür, dass deine Gesichtshaut eine
gesunde rötliche Färbung annimmt.« Demonstrativ langte er nach der dampfenden Tasse,
an deren Inhalt er sich zuvor selbst verbrüht hatte.
Kiro
ballte in hilflosem Zorn die Fäuste, schien Hansens Drohung jedoch sehr ernst
zu nehmen, denn er trollte sich gehorsam, wenn auch nicht, ohne ihm zuvor eine
wenig schmeichelhafte Bemerkung zuzuraunen.
Hansen
achtete gar nicht darauf, seine Gedanken kreisten bereits um den ungebetenen
Gast, der gerade ein weiteres Mal, diesmal deutlich ungeduldig, die Klingel
betätigte. Nach allem, was in den vergangenen Stunden geschehen war, konnte
dieser unerwünschte Besuch nichts Gutes für sie bereithalten. Während er das
Wohnzimmer verließ und in den Flur hinaustrat, versuchte er sich selbst davon
zu überzeugen, dass der Grund für dieses Klingeln ebenso gut harmlos sein
könnte. Zwar hatte er sich telefonisch in der St. Heinrich Klinik für die
nächsten Wochen entschuldigen lassen, doch es würde ihn nicht überraschen, wenn
die großen Tiere sich mit dieser Information nicht zufriedengaben. In der
Klinik war es ganz und gar nicht üblich, vorwarnungslos einen ungeplanten
Urlaub zu beantragen, und Hansen wusste sehr gut, dass er dadurch den Ablauf im
Krankenhaus gehörig durcheinanderwirbelte. Durchaus möglich, dass man einen
Kollegen vorbeigeschickt hatte, der Hansen wieder auf seinen Posten zurückrufen
sollte.
Andererseits,
so musste Hansen sich widerwillig eingestehen, hätte in solch einem Fall ein
einfacher Anruf ausgereicht.
Mit
finsterer Miene entriegelte Hansen die Tür und öffnete sie.
»Ja?«,
blaffte er.
Auf
seiner Schwelle standen ein uniformierter Mann und eine Frau in Zivil, die
Hansen mit der für ihren Berufsstand so typischen Strenge musterten. Ein
unangenehmes Déjà-vu-Gefühl machte sich in seinem Magen breit, und obwohl er
erst vor wenigen Stunden ausführlich erklärt hatte, wie wenig er an eine
Beteiligung seitens der Polizei glaubte, fühlte er sich unwohl unter den
stechenden Blicken der Gesetzesdiener.
»Doktor
Johannes Hansen?«, fragte die Frau. Sie hielt ihm einen amtlich aussehenden Ausweis
unter die Nase. Ulrike Heilbaum, stand da, Kommissar.
»Heilbaum
und Kranter, Kriminalpolizei«, klärte sie Hansen auf. »Hätten Sie Zeit, uns ein
paar Fragen zu beantworten?«
»Wenn
ich Sie dafür nicht hereinbitten muss«, gab Hansen säuerlich zurück.
In
Ulrike Heilbaums Augen blitzte es auf, doch sie verkniff sich jeden Kommentar
zu Hansens offen zur Schau gestellter Feindseligkeit. »Vorläufig genügt es,
wenn Sie uns nach bestem Wissen und Gewissen Rede und Antwort stehen. Sie sind
Zeuge in einem überaus hässlichen und leider sehr ernsten Fall, wir hoffen also
auf Ihre volle Unterstützung.«
Hansen
blieb ungerührt. »Ich bin ganz Ohr.«
Heilbaum
räusperte sich und strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn, die sich aus
ihrem Haarknoten gelöst hatte. Für ihren Dienstgrad wirkte sie überraschend
jung. »Doktor Hansen, wir haben Grund zur Annahme, dass Sie Kenntnisse über den
Aufenthaltsort zweier flüchtiger Personen besitzen. Es handelt sich dabei um
Laura Seibach und Kiro Geisner, die vor zwei Tagen noch Patienten auf Ihrer
Station waren. Wie Sie wahrscheinlich wissen, sind die beiden Hauptverdächtige
in einem schweren Fall von Brandstiftung.«
Hansen
lächelte kühl. »Und wie kommen Sie zu dem Schluss, dass ich irgendetwas über
diese Sache weiß, meine Liebe?«
Empörung
zeichnete sich auf Heilbaums Gesicht ab, und nun schaltete sich ihr Kollege
ein. »Ich glaube, Sie begreifen den Ernst der Lage nicht. Diese beiden
Jugendlichen hätten schon vor Tagen in Haft genommen werden sollen, doch das
war aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht möglich. Vor zwei Tagen
erhielten wir Nachricht, dass eine Überstellung nun zu verantworten sei, und
plötzlich verschwinden die beiden spurlos – und mit ihnen ihr behandelnder
Arzt«, fügte Kranter scharf hinzu.
»Verschwinden?«,
wiederholte Hansen amüsiert. »Entschuldigen Sie, aber wenn ich
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