Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
ist?«
Sie
schüttelte bestimmt den Kopf. »Nicht das letzte. Sie haben ihren Sohn in unsere
Obhut gegeben, Johannes. Er ist ihr Andenken, in ihm leben diese beiden
großen Menschen fort.«
»Natürlich.«
Johannes sah sie nicht an, als er dies sagte. Stattdessen ging er an ihr vorbei
und ließ sich auf der abgewetzten Couch nieder, die neben dem Bücherregal an
der Wand stand. Erneut schlug er den Folianten auf, blätterte beinahe fieberhaft
durch die vergilbten Seiten. Eine Weile beobachtete sie ihn wortlos, nicht
begreifend, was mit ihm nicht stimmte. Er wirkte so kühl, so abweisend. Doch
schließlich hatten sie alle andere Wege, ihre Trauer zu verarbeiten.
Miranda
ließ sich neben ihm auf das Sofa sinken, legte eine Hand auf seinen
Oberschenkel.
»Dieser
Verlust muss für dich noch weit schlimmer sein als für mich. Er war lange Jahre
dein bester Freund, hat dir Wege gezeigt, die dir davor verschlossen gewesen
waren.«
Noch
immer sah Johannes nicht auf. »Er war ein mächtiger Magier.«
Ihre
Stirn legte sich in Falten. »Ist das alles, was du zu sagen hast? Eine Bemerkung
über seine Fähigkeiten?« Sie schüttelte stumm den Kopf, streichelte sacht über
sein Bein. »Wen willst du durch deine Stärke eigentlich beeindrucken? Etwa
mich? Du weißt, dass du dich vor mir nicht zu verstecken brauchst. Zeige, was du
fühlst, verbirg dich nicht hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit. Dadurch
wird dein Schmerz nur größer werden, wird dich irgendwann von innen verzehren.«
Nun
sah Johannes doch von seinem Buch auf, und was sie in seinen Augen las, ließ ihr
eisige Schauer über den Rücken laufen. »Es war seine eigene Entscheidung,
Miranda. Er und Eloin haben sich entschlossen, ihren Sohn bei uns abzuladen und
sich in einem endgültigen Schritt aus der Affäre zu ziehen. Warum also sollte
ich ihren Verlust bedauern? Der Mensch hat einen freien Willen. Er bestimmt
sein Schicksal selbst, und sie haben sich selbst zum Scheitern bestimmt. Es
gibt keinen Grund für mich, ihren Tod zu beweinen.«
Fassungslos
starrte sie ihn an. »Das ist nicht deine Meinung. Das kann nie und nimmer deine
Meinung sein!«
Zorn
flammte in Johannes´ Blick auf.
»Du
ermüdest mich, Miranda. Solltest du nicht allmählich nach dem Balg sehen?«
Mit
einem Ruck war sie aufgestanden. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, und sie
haschte nach dem Buch. Johannes war jedoch schneller. Bevor sie es auch nur
berühren konnte, hatte er es aus ihrer Reichweite gehalten.
»Fass
es nicht an«, sagte er bedrohlich leise. »Es gehört mir, hörst du? Mir allein.
Deine Finger werden diese heiligen Seiten nicht verunreinigen.«
Sie
schnappte nach Luft, hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. »Du bist nicht mein
Mann«, presste sie hervor. »Mein Mann liebt mich. Mein Mann liebt unseren Sohn.
Und er liebt ganz sicher nicht dieses widerwärtige Buch.«
Johannes
grinste boshaft. » Unseren Sohn?«
»Ganz
recht, unseren Sohn. Er ist nun ein Teil unserer Familie, das weiß ich
mit ebensolcher Sicherheit, wie ich weiß, dass du es nicht bist.«
»Ich
weiß nicht, wovon du sprichst. Warum sagst du so schreckliche Dinge zu mir? Liebst
du mich etwa nicht?«
»Gib
mir das Buch! Sofort!«
Der
Mann, der wie Johannes aussah, lachte gehässig. So schnell, dass Miranda seiner
Bewegung nicht einmal mit Blicken zu folgen vermochte, war er von der Couch aufgesprungen
und stand nun in seiner vollen Größe vor ihr. Ihre Augen wurden weit, und
unvermittelt bekam sie es mit der Angst zu tun.
»Verlass
sofort dieses Haus«, flüsterte sie heiser. »Wer auch immer du bist.«
Er
grinste, was die so vertrauten Züge ihres Mannes zu einer grauenerregenden
Fratze verzerrte. »O, das werde ich, schon sehr bald. Aber davor werde ich
dafür sorgen, dass du niemandem mehr von unserer Begegnung erzählen kannst.«
Seine
Hand streckte sich nach ihrem Gesicht aus, und sie war so starr vor Schreck,
dass sie nicht in der Lage war, auszuweichen. Sie sah, wie seine Hand sich auf sie
herabsenkte, und die Gewissheit überfiel sie, dass ihr Ende gekommen war.
In
diesem Moment begann das Kind zu heulen.
Ihr
Kopf fuhr erschrocken herum, und auch Johannes erstarrte mitten in der
Bewegung, Verwirrung und noch etwas anderes ( Schmerz? ) in den Augen, das
sie nicht identifizieren konnte. Es war das erste Mal, dass sie diesen Laut
hörte, und er zerriss ihr schier das Herz.
Einen
Sekundenbruchteil, bevor Johannes seine Überraschung überwunden hatte, erwachte
Miranda aus ihrer
Weitere Kostenlose Bücher