Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
mich nicht sehr
irre, sprechen Sie doch gerade mit mir. Ich bin weder geflohen noch
untergetaucht, sondern habe mir nur einige Tage Urlaub genommen. Soweit ich
weiß, ist das nichts Rechtswidriges.«
»Sie
sind aus dem Krankenhaus verschwunden «, beharrte Kranter auf seinem
Ausdruck. »Während Ihrer Schicht.«
»Ich
habe mich nicht wohl gefühlt«, gab Hansen zurück. »Ein Magendarmvirus, nichts
Ernstes, aber überaus unangenehm und hochansteckend. Es ist meine Verpflichtung
als Arzt, zu gewährleisten, dass ich solche Krankheiten nicht an meine
Patienten weitergebe.«
»Dann
beharren Sie also auf Ihrer Aussage, dass Sie nichts über die Flüchtigen wissen?«,
hakte Kranter nach. »Obwohl uns zu Ohren gekommen ist, dass Sie mit Geisner in
privater Verbindung stehen?«
»Private
Verbindung ist übertrieben«, lenkte Hansen ein. »Bekannte von mir kennen seine
Eltern, mehr ist nicht dahinter. Der Junge ist mir ebenso gleichgültig wie das
Ergebnis der kanadischen Curlingmeisterschaften. Und um Ihre Frage zu
beantworten: Ich weiß nicht, wo sich diese Satansbraten herumtreiben, aber ich
hoffe sehr, dass Sie sie bald ausfindig machen. Eine Schande, wie verkommen
unsere heutige Jugend ist.«
Kranter
verzog die Lippen zu einem müden Lächeln und wechselte einen kurzen Blick mit
seiner Vorgesetzten.
Diese
nickte stumm und ergriff nun wieder das Wort. »Ich verstehe. Ich nehme an, wir
müssen Sie nicht erst darüber in Kenntnis setzen, welche Strafe Sie erwartet,
wenn wir dahinterkommen, dass Sie eine vorsätzliche Falschaussage gemacht
haben. Um ehrlich zu sein, wir sind alles andere als erfreut über diese
Situation, vor allem, da ein Kollege von uns, der die beiden Verdächtigen
überstellen hätte sollen, ebenso von der Bildfläche verschwand.«
»Dieses
Verschwinden scheint ja mächtig in Mode zu sein«, bemerkte Hansen trocken, ohne
auf die unterschwellige Drohung einzugehen. »Wenn Sie mich fragen, haben Sie
damit schon einen prächtigen Ansprechpartner für Ihre Suche.«
»Wer
sich an unseren Kollegen vergreift, muss mit Höchststrafen rechnen«, warnte Kranter
scharf. Er räusperte sich, schien sich sammeln zu wollen. »Wie auch immer, wenn
Sie nichts zu verbergen haben, haben Sie doch sicher nichts dagegen einzuwenden,
wenn wir uns Ihr Haus etwas genauer ansehen?«
Hansen
breitete einladend die Arme aus. »Durchaus nicht. Obwohl ich Ihnen gleich sagen
kann, dass Sie Ihre wertvolle Zeit verschwenden.«
»Das
nehmen wir gerne in Kauf«, gab Heilbaum giftig zurück und schob Hansen
energisch beiseite.
Hansen
grinste gezwungen. »Sie sind nicht hier«, sagte er. »Kiro und Laura sind nicht
hier. Das wissen Sie doch, nicht wahr?«
Mitten
im Schritt versteinerte die blonde Frau, und auch ihr Kollege war plötzlich zur
Salzsäure erstarrt.
Hansen
hasste es, solche Methoden anwenden zu müssen, doch in diesem Fall sah er keine
andere Möglichkeit. Schweiß trat ihm auf die Stirn, als er den Griff um die
Geister der beiden Polizeibeamten verstärkte. Der Mann war keine Herausforderung,
er öffnete sich Hansens Einfluss beinahe augenblicklich, doch der Verstand seiner
Vorgesetzten sträubte sich gegen die fremden Einflüsterungen, die sie verwirren
wollten. Sie war ein zähes Mädchen, das hatte Hansen bereits von Anfang an gespürt.
»Sie
haben sich bereits sehr sorgfältig umgesehen und konnten keinen Hinweis auf die
beiden flüchtigen Verdächtigen entdecken«, fuhr Hansen mit ruhiger Stimme fort.
»Genau das werden Sie in Ihrem Bericht schreiben, nachdem Sie dieses Haus
verlassen haben, in Ihren Wagen gestiegen und zurück auf Ihr Revier gefahren
sind. Johannes Hansen ist ein verbitterter, einsamer Mann, und er würde niemals
zwei herumstreunenden Jugendlichen Unterschlupf gewähren. Dafür ist er viel zu
hart und egozentrisch. Dass er am selben Tag wie die beiden fraglichen Personen
aus der Klinik verschwand, war reiner Zufall, nichts weiter.«
Allmählich
spürte er, wie sich auch der Geist der Kommissarin unter seinen unsichtbaren
Händen bog wie schmelzendes Plastik und jene Form annahm, die er ihm verleihen
wollte.
»Verlassen
Sie mein Haus«, flüsterte Hansen, dem vor Erschöpfung bereits schwarze Punkte
vor den Augen tanzten, »und kommen Sie nie wieder zurück.«
Und
damit ließ er die beiden frei. Ein deutlich sichtbarer Ruck lief durch die
Körper der beiden Polizeibeamten, und sie erwachten aus ihrer unheimlichen
Erstarrung. Heilbaum drehte sich herum und starrte Hansen für die Dauer
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