Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
von verschlossenen Türen nicht aufhalten
lassen würden, wenn sie sich erst in den Kopf gesetzt hatten, eine Wohnung zu
betreten. Wahrscheinlich hatte er recht damit.
»Du bist spät
dran, Junge. Ich dachte schon, du wärst wieder einmal in Schwierigkeiten.«
Taoyama lachte
humorlos. »Das trauen Sie mir zu? Da wäre ich wohl ein außerordentliches Naturtalent.«
»Davon bin ich
fest überzeugt, Hiroshi.«
Nun erhob
Brandt sich doch von seinem Platz an seinem Schreibpult und nahm Taoyama den
Mantel ab.
»Die Sache wird
ernst. Mehr als ein Dutzend unserer Leute ist bereits verschwunden, und bislang
gibt es keinerlei Anhaltspunkte, die auf den Aufenthaltsort unserer
Gegenspieler hinweisen. Ich mache mir Sorgen, dass wir den Vorsprung, den sich unsere
Gegner erkämpft haben, nicht rechtzeitig wieder aufholen werden. Die Zeit
zerrinnt uns zwischen den Fingern.«
»Hat denn
niemand etwas gesehen?«, fragte Taoyama verwundert.
»Natürlich, hunderte«,
gab Brandt trocken zurück. »Es gibt Sichtungen von Tieren, die sich an den
Tatorten zusammenscharen. Krähen. Ratten. Das Übliche.«
»Aber?«, bohrte
Taoyama weiter nach.
»Nichts aber .
Wir können ihnen nicht folgen. Sie sind zu schnell, passen durch Ritzen, durch
die wir nicht einmal einen Finger bekommen, oder hängen uns in der Luft ab.
Vollkommen hoffnungslos, die Verfolgung aufzunehmen.«
»Hat es schon
einmal jemand mit einem Peilsender versucht?«
Brandt weitete
überrascht die Augen. »Peilsender? Du meinst eine Wanze?« Er schien das Wort
auf der Zunge zu wiegen. »Nun, das wäre eine Möglichkeit. Aber wie willst du so
ein Ding an diesen Viechern befestigen? Oder verhindern, dass sie es wieder
entfernen?«
Taoyama ließ
sich unaufgefordert in den Stuhl sinken, von dem Brandt sich soeben erhoben
hatte, und griff sich einen Stift, der vor ihm lag. Es kostete ihn einige
Konzentration, doch schließlich schwebte der Gegenstand wie von einer sanften
Brise getragen einige Zentimeter über der Tischplatte. Vor einigen Wochen hätte
er bei einem solchen Anblick das Telefonbuch nach einem guten Seelendoktor durchsucht.
»Was, wenn sie
ihn schlucken?«
Brandt stützte
sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. Seine Augen fixierten den schwebenden
Stift, ließen ihn höher steigen. »Schlucken? Du meinst, wir werfen ihnen eine
Art Köder vor?«
Taoyama nickte,
ohne den Kugelschreiber aus den Augen zu lassen. »Aber ja. Wir verstecken einen
Peilsender in einem Stück saftigen Fleischs.«
Plötzlich griff
Brandt den Stift aus der Luft, schloss die Finger darum und schlug mit der
geballten Faust auf die Tischplatte. Erschrocken zuckte Taoyama zusammen und
wäre beinahe vom Stuhl gefallen.
» Ja, und
dann? «, donnerte Brandts Stimme. Mit einem Mal hatte sich sein Gesicht vor
Schmerz verzerrt. »Was sollen wir denn tun, wenn wir tatsächlich ihren
Unterschlupf lokalisieren können? Sie sind uns zahlenmäßig überlegen, Junge. In
einer offenen Konfrontation müssen wir unterliegen.«
Für einen
Moment herrschte Schweigen. Dieser aus dem Nichts kommende Ausbruch des
ansonsten so kühlen, berechnenden Manns hatte Taoyama vollkommen aus dem
Konzept gebracht. Nicht Brandts Zorn war es, der ihn erschreckte, mit Zorn
konnte er umgehen. Es war die Erkenntnis, dass sein Mentor und Freund auf dem besten
Weg war, die Flinte ins Korn zu werfen – jener Mann, auf dessen breiten
Schultern der Widerstand ruhte. Wenn sie ihn verloren, verloren sie alles.
»Viktor«,
begann Taoyama schließlich leise, »Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«
Brandt lachte
trocken. »Wenn du wüsstest, wie oft ich diesen Satz bereits gehört habe. Du
bist zum ersten Mal dabei, Junge, du warst nicht Zeuge, als wir kläglich
versagten. Das Schlimme ist, dass nun so viel mehr von unserem Erfolg abhängt!«
»Wir kämpfen
nicht nur gegen Ihn und Seine Schergen, nicht wahr?«, fragte Taoyama,
obwohl er die Antwort längst kannte.
Brandt
schüttelte düster den Kopf. »O nein. Gegen jenes Jahrhundertbeben, das uns noch
bevorsteht, ist Er nichts weiter als eine leichte Erschütterung, die ein
paar Teller aus den Regalen springen lässt.« Mit einem Ächzen stieß er sich vom
Tisch ab und durchquerte den Raum. Vor einem Schrank blieb er stehen, zog
dessen Tür auf und durchsuchte ihn nach etwas. Als er es gefunden hatte, zog er
es heraus und bedeutete Taoyama, es an sich zu nehmen.
Es war ein
Schriftstück, eine verschwommene, kaum lesbare Fotokopie. Taoyama kniff die
Augen zusammen,
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