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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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war
nichts weiter gewesen als eine Halluzination, hervorgerufen durch einen
Cocktail aus Todesangst und Adrenalin. In Wirklichkeit war er nicht besser oder
schlechter als all die anderen Männer, die mir in meinem Leben bereits begegnet
und wieder daraus verschwunden waren, ohne Spuren zu hinterlassen.
    Selbst
wenn es anders gewesen wäre, hätte es nichts geändert. In mir war keine Liebe
mehr, und wahrscheinlich war sie niemals da gewesen. Ich hatte mich ihm gegenüber
verpflichtet gefühlt, weil ich ihm mein Leben verdankte, aber das hatte nichts
mit Zuneigung gemein. Endlich hatte ich das begriffen.
    Die
Tage verstrichen, dehnten sich zu Wochen, und meine Einstellung änderte sich
nicht. Ich tat, was ich tun musste, aß, trank, schlief und sprach, wenn es
nötig war, beteiligte mich sogar an Hansens Unterricht, doch vermied jeden
Kontakt mit Kiro und dem Arzt, sooft ich konnte – und ich konnte es sehr oft. Ein paar Mal versuchte Kiro, mich anzusprechen, vielleicht, um sich bei
mir zu entschuldigen. Ich gab ihm keine Gelegenheit dazu, sondern wandte mich augenblicklich
von ihm ab und ließ ihn stehen. Auch er würde begreifen müssen, was ich längst
eingesehen hatte: Sobald dieser Albtraum vorbei war, würden sich unsere Wege
trennen, und es würde uns endlich möglich sein, einander zu vergessen.
    Da
ich nichts anderes zu tun und dringend ein wenig Ablenkung nötig hatte, konzentrierte
ich mich voll und ganz auf die Entwicklung meiner magischen Kräfte, und bald
verblüffte ich sogar Hansen mit meinem stetig anwachsenden Können auf seinem
Fachgebiet. Innerhalb von zwei Wochen hatte ich alles gelernt, was es in diesem
Haus zu lernen gab – was nicht unbedingt viel war. Hansens Wissen beschränkte
sich auf defensive Techniken: Wir lernten, eine schwache Energiebarriere
heraufzubeschwören, wie wir es bereits damals unwissentlich getan hatten, um
uns vor Freudts Pistolenkugeln zu schützen; trainierten mit dem Arzt weiterhin
den Zweikampf; machten Konzentrationsübungen, um unsere Kräfte auf einen Punkt
zu bündeln, und wurden theoretisch über Möglichkeiten der Magie unterrichtet.
    Das
alles reichte mir nicht, ich wollte mehr, und ich war der festen Überzeugung,
dass Hansen dieses »mehr« vor mir zurückhielt. Daher bediente ich mich des
Nachts schamlos an seiner Privatbibliothek, die mit Büchern über magisches
Wissen geradezu überfüllt war, und trainierte im Geheimen die darin
aufgeführten Techniken auf eigene Faust.
    Nachdem
ich jedes Buch, abgesehen von Hansens geheimnisvollem Folianten, den ich ja ohnehin
nicht würde lesen können, so gut wie auswendig gelernt hatte, fühlte ich meinen
Wissensdurst noch nicht einmal annähernd gestillt. Ich ging dazu über,
eigenmächtige Experimente ohne jede Anleitung vorzunehmen.
    Eines
Abends während meines Unterrichts hatte ich von Hansen den Auftrag erhalten,
den Docht einer Kerze mit mentaler Kraft zu entzünden – eine weitere seiner
unerschöpflichen Konzentrationsübungen. Ich verstand den Sinn und Zweck dieser
Übung nicht und mühte mich daher kaum, den gedrehten Zwirn Feuer und Flamme
sein zu lassen. Stattdessen blickte ich gelangweilt daran vorbei und ging in
Gedanken die Aufzeichnungen meiner Experimente durch, die ich geistig so
deutlich vor mir sah als wären sie auf Papier gedruckt.
    Schließlich
unterbrach Hansen die Übung, indem er mein Übungsobjekt mit einer entschiedenen
Bewegung zur Seite stellte.
    »War
ich so schlecht?« fragte ich mit gespielter Zerknirschung.
    »Darum
geht es nicht, Laura«, unterbrach Hansen mich.
    »Und
worum dann?«, fragte ich patzig.
    »Du
weißt sehr genau, wovon ich spreche«, sagte er scharf. »So geht es nicht weiter
mit dir. Was steckt hinter deinem Verhalten? Trotz oder einfach nur unglaubliche
Dummheit? Was versprichst du dir davon, Kiro und teilweise sogar mich zu
behandeln, als wären wir Luft?« Er schüttelte erregt den Kopf, doch als er
weitersprach, war jeglicher Zorn aus seiner Stimme gewichen. »Du hast dich verändert,
Laura, merkst du das nicht selbst?«
    »Menschen
verändern sich«, erwiderte ich kühl.
    Hansen
nickte ernst. »Und für diese Veränderung gibt es stets einen Grund. Welcher ist
deiner?«
    »Was
soll das Verhör, Hansen?«, fragte ich scharf. »Wollen Sie mir ein schlechtes
Gewissen aufschwatzen?«
    »Nichts
dergleichen. Ich möchte dir nur verdeutlichen, dass du dabei bist, Fehler zu
begehen, die du nicht wieder korrigieren kannst, wenn ihre Auswirkungen erst
eingetroffen sind.

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