Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Tod im Kreis der Familie erwarten sollte. Der Tod, dem er bei seiner Arbeit begegnete, war brutal. Er durchschnitt die Lebenslinie ohne Vorwarnung, und der Einzige, der dem Todesmoment beiwohnte, das war der Mörder. Das Auge eines Feindes.
»Du«, sagte Veronika, und er hörte an ihrer Stimme, dass sie das Thema wechseln wollte. »Was denkst du eigentlich, was hinter dem Mord an Laura Ehrenswärd steckt?«
Er zog fast unmerklich die Schultern hoch.
»Wenn du einfach spekulieren könntest, raten, deine Intuition benutzen«, forderte sie ihn heraus.
»Die benutze ich mehr, als du denkst.«
Wieder schwieg er und dachte nach.
»Das Motiv meinst du«, fragte er nach, und sie nickte. »Das ist natürlich etwas, worüber ich möglichst nicht spekulieren möchte. Ich könnte mich ja irren.«
»Du weißt, dass das hier in diesen vier Wänden bleibt«, sagte sie und zeigte auf die Küche.
»Tja, ich denke, es bleibt bei Rache, nachdem verschiedene andere Alternativen ausgeschieden sind.«
»Aber wer wollte sich an ihr rächen?«
Sie hörten Klara im Kinderzimmer im ersten Stock leise jammern. Das diesbezügliche Gehör war bei beiden außerordentlich gut entwickelt, genau auf die leisen Geräusche ihrer Tochter eingestellt, das kleinste Piepsen wurde registriert. Claes gab Veronika ein Zeichen, sitzen zu bleiben, während er die Treppe hochging.
Das dunkelblaue Rollo ließ kaum Straßenbeleuchtung herein, nur seitlich an den Rändern. Die Luft war abgestanden. Er öffnete das Fenster einen Spalt und schaute auf seine Tochter hinunter. Das gelbliche Licht der Flurbeleuchtung führte wie eine Straße über den Teppich. Er konnte sehen, dass sie wieder eingeschlafen war, die Arme über dem Kopf ausgestreckt, wie nur Kinder es können. Sie atmete mit einem hellen, leicht zischenden Geräusch. Er strich ihr mit dem Zeigefinger über die Wange, vorsichtig, um sie nicht zu wecken. Sie zog die Augenbrauen hoch, wachte aber nicht auf.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er, als er sich wieder unten in der Küche niederließ.
Inzwischen hatte Veronika den Tisch abgedeckt. Die Biergläser standen noch da.
»Bei Rache. Wer wollte sich an Laura rächen?«
»Was erweckt bei einem Menschen überhaupt den Wunsch, sich zu rächen?«, überlegte er und drehte das beschlagene Glas auf dem Tisch und ließ den Blick auf den hellrosa Pelargonien im Fenster ruhen. Die Sorte hieß Mårbacka, so viel wusste er.
»Natürlich Hass«, sagte Veronika. »Ungerechtigkeit, Kränkungen, verlorene Ehre, verlorenes Geld.«
»Und jetzt stell dir Laura vor, du hast sie ja auch ein wenig gekannt. Wenn du an sie denkst – was kann jemanden dazu bringen, sich an ihr so sehr rächen zu wollen, dass der Betreffende zu so groben Mitteln wie einer Waffe greift?«
»Nun ja«, überlegte Veronika. »Ich denke da an jemanden, dessen Leben zerstört wurde. Beispielsweise Johan Söderlunds Witwe, aber sie gehört sicher nicht zu den Leuten, die Zugang zu einer Waffe haben oder überhaupt weiß, wie man sie benutzt, und vermutlich hat sie die ganz normale Hemmschwelle. Ansonsten würde sie sich bestimmt selbst stellen.«
Er schaute sie zweifelnd an.
»Das Gewissen, weißt du«, erklärte sie. »Ich kannte Laura nur flüchtig, aber auch wenn das unwahrscheinlich erscheint, war sie garantiert mit an dem Komplott in der Klinik beteiligt.«
»Habt ihr in der Chirurgie davon gehört?«
»Nicht bis ins letzte Detail, aber natürlich sickerte da so einiges durch. Kaum einer hat reagiert. Es ist immer schwer, sich von außen ein Bild zu machen, da ist es das Einfachste, es gleich sein zu lassen. Jeder kehre doch bitte schön vor seiner eigenen Tür.«
»Ja, so ist es natürlich immer. Aber warum die Frau?«
»Sie ist Witwe geworden und hat gesehen, wie ihr Mann jahrelang gequält wurde. Das kann den stärksten Menschen vor Wut verrückt machen, und wenn diese Wut nicht in vernünftige Bahnen geleitet werden kann … Aber sie ist garantiert kein Mördertyp. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Johan Söderlund sich so eine Frau ausgesucht hat.« Sie stand auf, nahm die leeren Biergläser und stellte sie in die Spülmaschine.
Wer ist schon ein Mördertyp?, dachte er finster. Psychopathen ohne emphathische Fähigkeiten und mit einem überzogenen Selbstbild. Aber sonst? Jemand, der sich aus unergründlichen und äußerst schwierigen Umständen heraus gezwungen sieht, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Jemand, der einsieht, dass weder
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