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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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richtig lange dauern zu sterben, das wusste sie. Sogar viel zu lange. Das Sterbedatum konnte nie im Voraus gesagt werden, und die Ärzte weigerten sich zu sagen, wie viel Zeit wohl noch blieb, das wusste sie. Zu wissen, dass man sterben wird … sie erschauderte.
    Sie spürte ihren Lebenswillen ganz deutlich. Warum sollte sie auch nicht leben wollen. Woher kamen solche Gedanken?
    Sie hatte so viel vor, und das pochende Gesicht machte ihr das nur noch bewusster. Sie würde schon wieder auf die Beine kommen. Irgendwie und irgendwann.
    »Die Liebe muss bei einem selbst ruhen«, wer immer das auch gesagt haben mochte. Sie hatte es wohl in der Zeitschrift gelesen. Ich liebe Rickard nicht, formulierte sie wortlos für sich selbst. Ich war an Rickard gebunden, aber das heißt ja nicht lieben, dachte sie, schloss die Hand fest ums Glas und die zerschlagenen Lippen um den Strohhalm.
    Niemand zwingt mich, ihn zu lieben, ich entscheide selbst, wen ich liebe oder ob ich es sein lasse.
    Mehr als die Hälfte hatte sie aus dem Glas getrunken, erneut blätterte sie in ihrer Zeitschrift, und als sie wieder aufschaute, bemerkte sie zwei Frauen, die sich am Nebentisch hingesetzt hatten. Die eine Frau konnte sie gleich einordnen, und wenn sie selbst nicht so entstellt gewesen wäre, hätte diese sie sicher auch gleich wiedererkannt. Sie hob sich von der Menge ab, auch wenn ein etwas fremdes Aussehen wie das ihre inzwischen häufiger im Straßenbild zu sehen war. Vielleicht würde sie sie aber trotzdem nicht wiedererkennen, da die Frau bei ihrer letzten Begegnung so aufgelöst und verzweifelt gewesen war auf Grund der Nachricht, die sie ihr überbrachten: dass ihr Mann überfahren worden war. Er war später gestorben, das wusste Erika. Die Frau schien erfreulicherweise darüber hinweggekommen zu sein. Das lange Haar trug sie in einem Zopf auf dem Rücken, kleine Goldringe funkelten in ihren Ohren, sie trug einen dunkelgrünen Pullover, der ihr gut stand. Sie saß neben einer jüngeren Freundin, die offensichtlich schwanger war. Die Schwangere war blass und hatte lange, schwarze Haare, die ihr wie ein Vorhang vors Gesicht hingen, und sah müde aus. Der hellblaue Trainingsanzug und die Pantoffeln deuteten darauf hin, dass sie eingewiesen worden war, eine Patientin. Ganz sicher war Erika sich dessen, als sie das gleiche weiße Plastikband an ihrem Arm sah, das sie selbst auch am Handgelenk trug. Sie waren gezeichnet, alle beide. Sie gehörten dem Krankenhaus, komischer Gedanke. Die beiden Frauen saßen sich gegenüber, jede mit Kaffee und Kuchen vor sich, aber sie sprachen nicht viel.
    Als Erika aufstehen und zurück auf ihre Station gehen wollte, erblickte sie Peter Berg, der etwas unsicher direkt hinter der Eingangstür stand und die Informationstafel studierte. Es durchzuckte sie, sie hob den Arm, ihre Schulter schmerzte, als sie winkte, sie rief, und da bemerkte er sie.
    Peinlich berührt überreichte er ihr den größten Blumenstrauß, den sie jemals gesehen hatte.
    »Der ist nicht von mir«, sagte er entschuldigend. »Der ist von uns allen. Nina hat den besorgt«, erklärte er und wandte seinen Blick nicht von ihrem zerschlagenen Gesicht ab.
     
    Die Hebamme Yvonne wusch sich die Hände, während sie sich selbst im Spiegel über dem Waschbecken musterte. Sie war zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Tages. Sie hatte ausgeschlafen, einen langen Spaziergang gemacht, mit ihrer Enkelin telefoniert, sie hatte zu Hause sauber gemacht und aufgeräumt, bevor sie sich auf den Weg ins Krankenhaus gemacht hatte. Sie gehörte zu den wenigen auf der Geburtsstation, die voll arbeiteten. Sie wusste nicht, wie sie das schaffte, aber so war es nun einmal.
    Gerade als ihre Abendschicht begann, war eine Schwangere mit Geburtserfahrung hereingekommen und hatte ihr Kind innerhalb einer halben Stunde zur Welt gebracht. Einen großen, schönen Jungen, ohne jede Schramme. Jetzt sollten die Eltern eine Weile ihre Ruhe haben, Kaffee trinken, telefonieren und sich mit dem Kleinen beschäftigen.
    Sie trocknete sich die Hände ab und strich sich das dicke, schöne stahlgraue Haar aus der Stirn, drehte sich dann um und betrachtete die CTG-Kurven auf den Monitoren an der gegenüberliegenden Wand. Die Kurven waren normal, abgesehen von Zimmer drei, da sah es aus, als würde die Frau jeden Moment gebären. Sicherheitshalber ging sie auf den Flur und schaute in Zimmer drei durch die Tür, und das stimmte, sie hörte den unterdrückten Schrei der Frau, der

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