Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
aber das ging natürlich nicht, auch wenn sie damit gut hatte weiterleben können. Ihre Entscheidung von damals bedrückte sie nicht, sie existierte, aber es tat nicht weh, vielleicht ein flüchtiger Gedanke hier und da, ein wenig Verwunderung, wie es hätte werden können? Aber es war nun einmal so gelaufen, und es war gut so. Drei gesunde Kinder sind ein Geschenk Gottes.
Jetzt war es sowieso zu spät. Sara hatte sich für das Kind entschieden. Es war nicht mehr möglich, es sich als nichtexistierend vorzustellen.
In der Mittagspause wollte sie schnell zur Frauenklinik hinüberlaufen und Sara besuchen. Auch wenn diese nicht aussah, als ob sie sich besonders darüber freute, dass Rigmor kam. Sie meinte eher, Rigmor würde sich aufdrängen, aber die dachte gar nicht daran, aufzugeben. Sie würde sie dennoch besuchen. Gewisse Aufgaben konnte man nicht fallen lassen, und schließlich hatten sie sich ja gut verstanden, als Sara ihr Praktikum als Hilfsschwester in der Abteilung gemacht hatte.
Aber vor ihrem Aufbruch musste sie sich entscheiden, ob sie nun Laura Ehrenswärd mitteilen wollte, dass es mit Tomas Bengtsson auf der Station Probleme gab. Wenn er so weitermachte, würde es in einer medizinischen Katastrophe enden, und das wünschte sich ja wohl keiner. Das wünschte sie ihm natürlich auch nicht.
Tomas tat ihr Leid. Etwas war nach dem schrecklichen Unfall mit ihm passiert. Alle im Krankenhaus waren davon betroffen, aber er war zum Opfer geworden. Er sollte nicht arbeiten, er sollte lieber zu Hause bleiben und seine Wunden lecken. Er sah so zerbrechlich aus. Ihm war etwas zugestoßen, das er nicht meistern konnte, und niemand traute sich, ihn darauf anzusprechen. Und jeder dachte in seiner Gegenwart daran.
An Laura Ehrenswärds Tür zu klopfen, das war auch nicht gerade etwas, das sie unüberlegt machen wollte. Das letzte Mal war sie zum falschen Zeitpunkt gekommen. Carl-Magnus Meisser hatte im Raum gestanden und wie ein Schuljunge ausgesehen, der eine Gardinenpredigt erwartete, und Laura hatte gar nicht zugehört, was Rigmor ihr sagte. Verdammt noch mal!
Rigmor stand auf, strich den weißen Schwesternkittel über dem Bauch glatt, holte Lippenstift und Spiegel aus der Handtasche. Ihre kleine Andacht war hiermit beendet.
Vielleicht sollte sie sich ein Netzwerk aufbauen, versuchen, die anderen beiden Stationsleiterinnen einzuladen, so dass sie Erfahrungen austauschen konnten. Es bedurfte nicht mehr als einer festen Zeit, einer geschlossenen Tür und vielleicht Kaffee und ein paar Keksen. Sie wurde richtig munter bei dem Gedanken, der sich so leicht in die Tat umsetzen ließ.
Sie hätte nicht mit ihm zusammenziehen sollen, sie hätte abwarten sollen, es war doch gar nicht so eilig gewesen, sie ganz allein war an allem schuld. Eine verdammte Idiotin war sie gewesen. Sie hatte die Bedrohung erahnt, die in der Luft lag, aber nur wie kleine, unbedeutende Knuffs, nie wie etwas Hässliches, das ernst genommen werden musste. Sie hätte auf ihre Intuition hören sollen, nicht so blauäugig sein, sich nicht selbst belügen sollen.
Der Kopf pochte, die Schulter hämmerte. Erika hielt es nicht im Bett aus. Sie fragte eine Krankenschwester, ob sie nicht aufstehen und etwas herumlaufen dürfe, zögerte aber selbst davor, sich außerhalb der Abteilung zu zeigen.
»Niemand weiß, was Ihnen zugestoßen ist«, sagte die Krankenschwester. »Sie sind die Einzige, die daran denkt. Das kann ebenso gut ein Autounfall gewesen sein«, fügte sie hinzu und legte Erika eine warme Hand auf die Schulter.
Erika antwortete nicht. Sie überlegte, ob sie nicht einen Autounfall vorgezogen hätte, auch wenn die Verletzungen noch schlimmer hätten sein können.
»Waren Sie eigentlich schon bei der Sozialschwester?«, fragte die junge Schwester, während sie die Haarspange hochschob, die den aschblonden Pony zurückhielt.
»Ja, das war ganz gut«, antwortete Erika, obwohl sie das Gespräch als ziemlich sinnlos empfunden hatte, da die Sozialschwester zu der belesenen Sorte ohne jedes eigene Talent gehörte. Sie hatte kaum zugehört, nur ihre Fragen gestellt, als würde sie nach einem Muster vorgehen, das vorschreibt, wie man redet, die Stimme hebt und senkt, gegenüber einer Frau, die tätlicher Gewalt ausgesetzt gewesen war. Erika hatte sich entschieden, der Sozialschwester die Antworten zu geben, die sie erwartete. Auf diese Weise kam sie schnell wieder aus dem Zimmer. Vielleicht konnte sie später über ihren Job jemanden finden, zu
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