Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Arbeitstisch war mit grünem Tuch bedeckt, darauf rostfreie Schale, Operationszangen, Schere und Nabelband, und nach dem Rücken der Kollegin zu urteilen, war sie bereit, das Kind entgegenzunehmen, dessen Kopf sich gegen den Damm drückte, so dass der sich nach außen wölbte.
Yvonne ging zurück in den Kontrollraum und setzte sich mit dem Arbeitsjournal nieder, um die überstandene Geburt einzutragen, was schnell gemacht wäre, da sie kurz und ganz ohne Komplikationen verlaufen war, als sie ein Schluchzen vom Medizinschrank her hörte. Die Türen standen offen und verbargen den Körper, nur zwei weiße Hosenbeine waren zu sehen. Yvonne stand auf und ging dorthin. Die jüngste Hebamme stand mit der Stirn an eins der Regale mit Medikamentengläsern und Schachteln gelehnt. Ihr Rücken wurde vom Weinen geschüttelt, der blonde Pferdeschwanz wippte.
»Aber meine Liebe, was ist denn los?«, fragte Yvonne mit sanfter Stimme und drehte die Kollegin vorsichtig zu sich um.
»Ach, ich bin wohl einfach nur zu empfindlich«, sagte die junge Hebamme, weinte weiter und wischte sich das Gesicht mit dem Handrücken ab. »Aber ich habe so eine schlimme Standpauke gekriegt.«
Die alte Leier, dachte Yvonne im Stillen. Es hatte sich nicht viel geändert, seit sie selbst in die Lehre gegangen war, zumindest aber nicht genug. Die alten Meckertanten hatten wieder Konjunktur, und die ungeschriebene Hackordnung war nicht einfach zu meistern.
»Kümmre dich nicht um sie«, sagte Yvonne tröstend. »Das ist einfach schlechter Stil. So ist sie manchmal. Es gibt keinen Grund, sich daran festzubeißen. Nächstes Mal ist sie ganz bestimmt nett zu dir und hilft dir. Nimm es ihr nicht so übel.«
Yvonne klopfte der jungen Hebamme vorsichtig auf den Arm und erntete dafür ein Lächeln, worauf sie sich hinsetzen und ihre Papiere fertig machen konnte. Einige ändern sich nie, dachte sie mit einem hörbaren Seufzen. Und diese überhebliche Kollegin hatte sich sicher nicht geändert, dabei arbeiteten sie nun seit fast dreißig Jahren zusammen. Sie hielt sich für etwas Besseres, und warum einige dieses Gefühl so dringend brauchten, hatte Yvonne noch nie verstanden.
Ruhe legte sich über die Geburtsstation, ein einzelnes Paar wanderte die Flure in Erwartung des großen Augenblicks entlang. Eine Pause war angesagt, und sie versammelten sich im Personalraum, toasteten Brot und tranken Kaffee. Das Telefon unterbrach immer wieder die Zusammenkunft, besorgte Mütter und Väter riefen an und fragten, ob es so weit sei, aber ansonsten gab es nicht viel, um das man sich kümmern musste. Die junge Hebamme hatte immer noch rote Flecken im Gesicht, war aber inzwischen besser gelaunt, fast albern vor Erleichterung, und auch die ewige Nörglerin hatte sich beruhigt.
Es klingelte an der Stationstür. Yvonne ließ ihr halb gegessenes Toastbrot liegen und stand auf, sie war laut der Arbeitseinteilung für die nächste werdende Mutter verantwortlich.
Vor der Tür stand eine Frau allein, sie stützte sich gegen die Wand. Ihr ganzer Körper zeigte, dass sie mitten in einer Wehe war.
»Willkommen«, sagte Yvonne und nahm sich den Mutterpass, den die Frau mit einer Hand umklammerte. »Kommen Sie herein, dann kümmern wir uns um Sie.«
Die Frau bewegte sich nicht vom Fleck, solange die Wehe nicht abgeklungen war.
»Hereinspaziert«, wiederholte Yvonne einladend. »Sind Sie allein?«
»Ich habe versucht, meinen Partner zu erreichen, aber er geht nicht ans Telefon«, antwortete sie beunruhigt. »Ich möchte unbedingt, dass er kommt«, sagte sie, und ihre Stimme klang verzweifelt.
Yvonne meinte, die Frau schon einmal gesehen zu haben, sagte aber nichts. Sie half ihr ins Aufnahmezimmer, dort musste sie sich auf die Liege legen, und sie schnallte ihr den CTG- und den Wehenschreiber um den Bauch. Yvonne spürte die Bewegungen des Kindes gegen ihre Handfläche, als die nächste Wehe begann und die Gebärmutter sich verhärtete. Ein gut gefüllter Bauch, dachte sie. Das Kind ist nicht gerade klein.
»Seit wann haben Sie schon Wehen?«, fragte sie, als die Schmerzen abebbten.
»Wohl so seit zwei Stunden.«
»Ist das Fruchtwasser schon abgegangen?«
»Nein, soweit ich weiß nicht.«
Yvonne blätterte im Mutterpass. Eine Spätgebärende, das zweite Kind, vierundvierzig Jahre alt. Ärztin. Deshalb kannte sie sie also. Wahrscheinlich hatte sie sie einmal im Krankenhaus gesehen, in der Kantine. Kaiserschnitt war im Hinblick auf das hohe Alter diskutiert worden, aber die
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