Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
ließ ihre Gedanken schweifen und dachte daran, wie sie mit Cecilia am Telefon vor einigen Tagen gelacht hatte. Sie musste lächeln. Cecilia hatte genau wie früher etwas Lustiges gesagt. Sie hatten lauter, perlender und länger gelacht als seit langem.
Es klopfte, sie schreckte auf und rief Ronny herein.
»Ich möchte, dass du das hier durchliest«, sagte sie und schnappte sich ein paar Blätter vom Schreibtisch.
Er sah auf die Uhr.
»Jetzt sofort. Bitte!«, flehte sie.
Er hatte offenbar vor, die Seiten im Stehen zu überfliegen, aber sie schob ihn zu dem kleinen Sofa, das in der Ecke neben dem Bücherregal stand.
Ronny knipste die Stehlampe an und begann, in den Papieren zu blättern. Veronika stellte sich ans Fenster. Sie starrte in den Nebel.
Aufforderung zur Stellungnahme
Die Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde hat folgende Beschwerde gegen Sie erhalten (siehe Anlage).
Der Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde fordert Sie hiermit auf, sich schriftlich zu dem Inhalt der Beschwerde zu äußern. Aus Ihrer Antwort muss hervorgehen, ob Sie den Vorwürfen, die gegen Sie erhoben werden, zustimmen oder ob Sie Einspruch einlegen. Sollte Letzteres der Fall sein, müssen Sie die Gründe für Ihren Standpunkt nennen. Die Antwort soll – soweit möglich – so formuliert sein, dass sie auch für eine Person ohne medizinische Vorkenntnisse verständlich ist. Falls Sie medizinische Fachausdrücke verwenden, sollten Sie diese in einer folgenden Klammer erklären.
Die Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde wird die Patientenakte anfordern. Die Stellungnahme muss der Kommission innerhalb von drei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens vorliegen.
Er überflog den Rest der Seite.
»Alles wie immer. Am besten schreibst du die Erwiderung jetzt gleich. Sonst wirst du nicht rechtzeitig fertig«, sagte er und nahm den Anzeigentext in die Hand.
Der Beschwerdeführer war gemäß handschriftlich ausgefülltem Formular Harald Eriksson. Auf der Anzeige stand »Charlotte Eriksson, Ehefrau«. Unter der Rubrik »Ich zeige folgende im Gesundheitswesen tätige Personen an und fordere eine Disziplinarmaßnahme« stand nur ein einziger Name: Oberärztin Veronika Lundborg. Unter der Rubrik »Ich habe folgende Einwände gegen Diagnose oder Therapie« stand: »Siehe Anlage«.
Ronny Alexandersson blätterte zur Anlage weiter.
Anlage zur Anzeige eines Behandlungsfehlers im Fall von Charlotte Eriksson bei der Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde
Ich erhebe nachdrücklich Beschwerde gegen die ärztliche Behandlung meiner Ehefrau Charlotte Eriksson, die zu ihrem Tod führte.
Sie wurde viel zu früh von der Intensivstation verlegt. Außerdem wurde sie in ein Einzelzimmer ohne ständige Überwachung verlegt, was dazu führte, dass niemandem auffiel, dass es ihr schlechter ging und dass sie vielleicht Hilfe benötigt hätte.
Dafür ist die für sie zuständige Ärztin, Oberärztin Veronika Lundborg, verantwortlich.
Meine Ehefrau Charlotte war vollkommen gesund, als sie von unbekannten Tätern in der Nacht auf Samstag, den 6. Oktober, in den Bauch geschossen wurde. Sie wurde noch in derselben Nacht operiert. Die Kugel wurde entfernt, und soweit ich informiert bin, verlief die Operation gut. Die Chirurgin war Oberärztin Veronika Lundborg.
Charlotte wurde daraufhin auf der Intensivstation behandelt. Dort schien sich ihr Allgemeinzustand zu verbessern.
Obwohl ich nachdrücklich darum bat, meine Ehefrau noch mindestens einen weiteren Tag auf der Intensivstation zu belassen und sie nicht zu verlegen, ohne mich zu informieren und an dem Beschluss teilhaben zu lassen, wurde Charlotte bereits nach zwei Tagen, am Montag, den 8. Oktober vormittags, verlegt. Diese Verlegung fand statt, ohne dass ich informiert wurde, und zu einem Zeitpunkt, als ich ihre Pflege nicht überwachte, sondern mich zu Hause aufhielt.
Das führte zu Charlottes Tod, und für diesen mache ich einzig und allein Oberärztin Veronika Lundborg verantwortlich.
Ronny Alexandersson ließ das Papier sinken, im Zimmer war es vollkommen still. Er betrachtete Veronika am Fenster. Sie hatte die Arme über der Brust verschränkt und schien nur mit Mühe die Fassung zu bewahren.
»Weißt du, woran sie gestorben ist?«
Veronika schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Keine Vermutung?«
»Die Polizei hat mich und alle anderen Beteiligten verhört, und die Spurensicherung hat ihr Zimmer durchsucht … Aber soweit ich weiß, hat sich dabei nichts
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