Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Brüche gegangen. Wollte ihn Sara-Ida verlassen, dann konnte sie das genauso gut auch jetzt tun, dachte er voller Selbstmitleid.
Wenn er ehrlich war, dann war er es gewesen, der allen konkreten Plänen aus dem Weg gegangen war. Schließlich hatte er sich nicht schon wieder die Finger verbrennen wollen. Außerdem war Sara-Ida recht jung, naiv und hatte hochfliegende Träume. Sie wollte Model werden. Er wusste zwar nicht, wie so etwas ging, aber er ahnte, was diese Pläne für ihn bedeuten könnten. Sie würde im Mittelpunkt stehen, und er würde an den Rand gedrängt werden und sich dumm vorkommen.
Seine Gedanken wurden immer träger, ihm wurde wärmer, langsam schlief er ein. Vielleicht ist das so wie mit den nächtlichen Fahrradtouren allein, dachte er noch. Ist man eine Strecke einmal gefahren, weiß man, dass man durchkommt. Wenn sie mich verlässt, dann tut sie das eben. Er würde es überleben. Das hatte er beim letzten Mal auch getan.
»Was machst du Weihnachten?«
Erika Ljung wandte sich an Louise Jasinski und senkte die Stimme. Sie saßen im kleinen Konferenzzimmer.
»Die Mädchen und ich bleiben zuhause«, antwortete Louise ebenfalls mit leiser Stimme. »Wir wollen unser erstes Weihnachten in der neuen Wohnung feiern. Pfefferkuchen backen und einen Christbaum schmücken, du weißt schon. Janos kommt Heiligabend für ein paar Stunden vorbei. Ohne seine Neue. Die alte Familie wird für eine Weile wieder auferstehen.«
»Wie nett«, erwiderte Erika lächelnd.
Es war Morgen, aber draußen war es noch dunkel. Sie warteten darauf, dass alle mit roten Nasen aus der Kälte hereinkommen würden. Die Geräusche von draußen wurden von der dicken, herrlichen Schneedecke gedämpft. Drinnen brannten elektrische Kerzen in beiden Fenstern, ein Weihnachtsstern stand in einem rot lackierten Korb auf dem Tisch, die Erde mit Moos bedeckt.
»Und wie geht es dir?«, fuhr Erika fort.
»Wirklich gut. Ich glaube, Janos und seine Neue stecken schon wieder in einer Krise.«
Louise klang auffallend gleichgültig.
»Dann fahren die Mädchen mit ihm zu seinen Eltern nach Stockholm«, fuhr sie fort.
»Und was hältst du davon?«, wollte Erika wissen.
»Wovon?«
»Dass sich Janos in einer Krise befindet. Ich meine, findest du nicht, dass ihm das recht geschieht?«
Louise starrte auf die Tischplatte.
»Wenn ich ehrlich sein soll, hätte ich das vor nur einem halben Jahr noch gefunden, aber jetzt nicht mehr. Man muss nach vorn blicken. Ich denke manchmal an die Neue meines Vaters, die auch nicht mehr so neu ist. Papa und sie leben schon seit Ewigkeiten zusammen und haben erwachsene Kinder, also meine Halbgeschwister, die ich kaum kenne. Trotzdem bewacht sie dauernd eifersüchtig meinen Vater und ihre Kinder, als würde er einen Verrat begehen, wenn er sich uns ein paar Minuten lang widmen würde. Mittlerweile müsste sie sich seiner doch sicher sein. Außerdem wird er langsam alt.«
»Manche sind sich ihrer Sache nie sicher.«
»Nein. Und Papa war immer zu feige. Er hätte zu seinen Entscheidungen stehen müssen und zu uns. Inzwischen leidet er an einem chronisch schlechten Gewissen. Ich habe den Verdacht, dass er schwermütiger ist, als nötig wäre.«
Erika nickte. Sie dachte daran, wie unterschiedlich alles sein konnte. Ihr Vater war in ihrem Leben immer sehr präsent gewesen. Wie wäre sie wohl ohne ihn geworden?
Louise beugte sich zu Erika vor.
»Ich habe einen Mann kennengelernt«, flüsterte sie und schielte zu Peter Berg und Martin Lerde hinüber, die sich gerade an die andere Seite des Tisches setzten.
Ihr fiel auf, dass Peter Berg sie anstarrte.
»Neugierig?«, fragte sie.
»Überhaupt nicht«, erwiderte er augenzwinkernd.
»Vor kurzem erst«, flüsterte sie ganz leise Erika zu. »Er ist ein Traum im Bett.«
Louises Wangen hatten sich gerötet. Erika nickte anerkennend, und Peter Berg wurde noch neugieriger. Da hielt Claes Claesson Einzug und baute sich am Tischende vor ihnen auf.
»Sollen wir kein Licht machen?«
»Nein«, erwiderte Louise, und Erika nickte. »So ist es gemütlicher!«
»Gut, das Wichtigste zuerst. Um drei gibt es im Kaffeezimmer Glögg und Pfefferkuchen. Alkoholfrei. Ihr könnt dann nach Hause radeln, ohne wegen Trunkenheit auf dem Sattel Punkte zu bekommen, falls ihr es überhaupt wagt, durch den Schnee zu rutschen. Wer dann bereits seinen Weihnachtsurlaub angetreten hat, dem wünsche ich ein richtig schönes Weihnachtsfest«, sagte er mit tieferer Stimme, die wie die des
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