Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
gegeben. Nichts Besonderes.
Hatte sie etwas falsch gemacht? Das falsche Mittel gespritzt? Sie hatte ihr doch Ketogan gegeben? Hatte sie es vielleicht falsch dosiert?
Sie versuchte sich die Ampulle vorzustellen. Man kann wohl kaum zu viel Ketogan spritzen, dachte sie. Die Ampullen enthielten keine große Dosis. Und sie hatte es doch subkutan, unter die Haut, gespritzt und nicht direkt in die Vene?
Sundström und Fuentes waren gegangen, aber Daniel Skotte, Ronny Alexandersson und Sophie hielten sich noch im Schwesternzimmer auf. Es klopfte.
»Was sollen wir mit ihr machen?«, fragte die Pflegehelferin Emma. »Sollen wir sie fertigmachen und wieder in ihr Zimmer schieben?«
Die drei im Schwesternzimmer starrten sie an.
»Unternehmen Sie nichts«, sagte Alexandersson mit Nachdruck. »Belassen Sie alles, wie es ist! Immer hat man so viel am Hals«, murmelte er und griff zum Telefonhörer, um die Polizei anzurufen.
»Wir brauchen das Behandlungszimmer aber, um Verbände zu wechseln«, beharrte Emma, die ungeduldig in der Tür stehen geblieben war. Sie warf Sophie, der die Tränen in den Augen standen, einen fragenden Blick zu.
»Muss das ausgerechnet jetzt sein?«, fragte Daniel Skotte.
»Nein, aber man kann nie wissen. Sie kann schließlich nicht da liegen und das Zimmer blockieren«, sagte Emma, die offenbar nicht die Absicht hatte, ihren Platz in der Tür zu räumen.
»Doch, das kann sie«, fuhr Alexandersson sie barsch an.
»Ihr müsst das halt woanders machen«, fügte er noch hinzu. »Fasst nichts an! Ich will erst die Polizei anrufen.«
»Wo sollen wir denn dann die Verbände wechseln?«, beharrte Emma kopfschüttelnd. »Das geht sonst nirgends.«
»Wo ist denn Britt-Louise, zum Teufel?«
Ronny Alexandersson drehte sich auf seinem Bürostuhl um, als glaubte er, sie könne einfach so aus dem Nichts auftauchen. Britt-Louise Karp war die Stationsschwester.
»Sie soll sich um alles kümmern.«
»Sie ist in einem Meeting«, sagte Sophie und räusperte sich.
Alle drehten sich um. Es hatte den Anschein, als würden sie sie erst jetzt bemerken.
Veronika hatte für Klara einen Stapel Bücher in der Kinderbuchabteilung zusammengesucht und stand jetzt vor dem Drehgestell mit den Neuerscheinungen, die eine Woche lang entliehen werden durften. Sie hielt einen Roman in der Hand, las den Klappentext, blätterte und sehnte sich nach Zeit und Muße. Sie hätte ihn gerne gelesen, wusste aber, dass sie im Bett jeden Abend über dem Buch einschlafen würde. Sie hatte nicht viele Bücher gelesen, seit sie wieder Mutter geworden war. Sie sehnte sich nach der Welt der Bücher, aber die Zeit dafür würde wiederkommen, das wusste sie. Sie beklagte sich nicht.
Ihr Handy vibrierte in der Jackentasche. Sie stellte das Buch zurück, legte den Stapel Kinderbücher und ihre Benutzerkarte auf den Tresen und bedeutete der Bibliothekarin, dass sie rausgehen würde, um das Gespräch entgegenzunehmen.
Sie kehrte nicht mehr zurück, um die Bücher zu holen.
Daniel Skotte nahm am Tisch im Kaffeezimmer Platz. Sara-Ida saß ihm gegenüber. Sonst war niemand da.
Gerade als er sich erkundigen wollte, wie es ihr gehe, kamen eine Krankenschwester und eine Schwesternhelferin herein und stellten sich an die Spüle. Ihm war nicht recht klar, was sie dort Wichtiges zu tun hatten. Ihm fiel jedoch auf, dass sie sich Zeit ließen und nicht die Absicht hatten, die neue Pflegehelferin und ihn allein zu lassen. Sie sah so verdammt gut aus, dass es fast weh tat, sie anzuschauen. Als die Schwestern den Wasserhahn aufdrehten und mit dem Geschirr klapperten, erhob er sich demonstrativ.
»Wir können woanders hingehen«, sagte er.
Sara-Ida nickte. Dagegen hatte sie nichts einzuwenden. Sie ging mit ihrer Kaffeetasse zur Spüle und goss den kalten Inhalt in den Abfluss. Der Wasserhahn war besetzt. Sie hielt ihre Tasse in der Hand und wartete darauf, dass die beiden Frauen, deren Namen sie sich noch nicht eingeprägt hatte, sie an die Spüle ließen. Es war eine Todsünde, seine Sachen nicht wegzuräumen. Beide taten so, als sähen sie sie nicht. Ließen sie einfach stehen. Sie war ratlos. Daniel Skotte wartete auf sie.
Nicht das Hänschen, sondern er. Prickelnd.
»Kannst du die Tasse nicht einfach wegstellen?«, meinte er schließlich.
Sie wurde nervös. Schließlich war er Arzt. Er wirkte beschäftigt. Sie stellte die blaue Steinguttasse auf die rostfreie Spüle und wollte sie später abspülen. Über der Spüle hing ein Schild:
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