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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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übersehen? Was hatten Veronika und er nicht vorausgesehen?
    »Es ist unerklärlich«, verkündete er mit belegter Stimme, als müsse er sich verteidigen, obwohl ihn niemand darum gebeten hatte. Aber allen war klar, dass er das Bedürfnis hatte, seine Gedanken in Worte zu fassen.
    »Das ist wirklich verdammt unangenehm«, meinte Sundström, der Älteste, der schon vieles erlebt hatte, so etwas jedoch noch nicht.
    »Vollkommen unbegreiflich«, sagte Ronny Alexandersson und schüttelte erneut den Kopf. »Wir müssen versuchen, Veronika zu erreichen.«
    Niemand wünschte Veronika solche Probleme, und niemand hätte jetzt in ihrer Haut stecken wollen. Alle wussten genau, was das bedeutete. Die Schuld, die ihr zugeschoben wurde. Zumindest bis die Obduktion durchgeführt war.
    Das war die Kehrseite der Medaille. Sonst handelte es sich um einen interessanten Beruf, der manchmal sogar richtig Spaß machte. Es ging jedoch nicht immer glatt. Kam man damit nicht klar, suchte man sich lieber etwas anderes, das fanden alle, die hier arbeiteten. Man musste fähig sein.
    »Veronika wird es jetzt eine ganze Weile nicht leicht haben«, stellte Sundström bedauernd fest.
    Alle kannten das lähmende Gefühl, am Tod eines anderen Menschen die Schuld zu tragen, wenn auch indirekt und unbeabsichtigt.
    »Hat sie heute Nachmittag nicht frei?«, fragte Fuentes.
    »Doch schon, aber sie will es vermutlich lieber von uns erfahren als aus der Zeitung«, meinte Ronny Alexandersson. »Wer ruft sie an?«
    »Das kann ich machen«, meldete sich Skotte, der inzwischen bereit war, alle Bürden auf sich zu nehmen, wenn nur alles wieder in Ordnung kommen würde.
    »Habt ihr den Ehemann informiert?«, wollte Fuentes wissen.
    Erneute Stille. Daniel Skotte holte tief Luft.
    »Nein, ich habe niemanden unterrichtet«, sagte er wütend. »Es ist doch, verdammt noch mal, eben erst passiert!«
    Er wirkte gestresst. Alle ignorierten seinen Ausbruch. Das musste geregelt werden.
    »Was ist mit der Polizei?«, fragte Alexandersson vorsichtig, als hätte er eine Checkliste, die er gerade abhakte.
    »Ich hatte auch noch keine Zeit, die Polizei zu verständigen«, stöhnte Skotte. »Sie werden natürlich eine Obduktion in der Gerichtsmedizin anordnen. Der Todesfall muss wohl als ungeklärt betrachtet werden«, meinte er sarkastisch und grinste trotz allem.
    Die anderen nickten. Sundström schaute auf die Uhr.
    »Ich habe Sprechstunde. Ich muss gehen. Wer hat Zeit?«
    »Ich kann mich um die Sache kümmern, bis sie aus dem OP anrufen und es wieder weitergeht«, meinte Alexandersson.
    »Danke«, sagte Skotte.
    »Ich muss leider runter in die Notaufnahme«, meinte Fuentes.
    »Ich verständige gerne Veronika, wenn du nichts dagegen hast«, erbot sich Alexandersson.
    »Dann kümmere ich mich um die Pflegehelferin«, sagte Skotte. »Sie ist zu allem Überfluss noch ganz neu. Und jung. Es ist ihr erster Tag.«
    »Und der Ehemann?«, fragte Sundström und warf einen Blick in die Runde.
    Der Widerstand im Zimmer war kompakt.
    »Mist«, verkündete Skotte. »Das wird kein Spaß.« Er schob seine Brille zurecht, sein Gesicht glänzte von der Wärme im Schwesternzimmer und vor Schweiß.
    »Darum muss sich verdammt noch mal Veronika kümmern«, rief er energisch. »Sie ist schließlich die zuständige Ärztin.«
    Die anderen drei schwiegen. Sie wollten ihm die Gelegenheit geben, es sich anders zu überlegen.
    »Veronika hat frei«, sagte der Oberarzt Ronny Alexandersson leise, aber mit Nachdruck. »Du wirst ihn also informieren müssen. Veronika kann später immer noch mit dem Ehemann sprechen. Ich kann dabei sein, wenn du willst.«
     
    Im Schwesternzimmer stand auch Schwester Sophie.
    Ihre sonst eher bleichen Wangen waren stark gerötet. Sie kämpfte mit den Tränen und wagte kaum aufzuschauen. Sie hatte den Ärzten den Rücken zugewandt und machte sich an irgendwelchen Papieren auf dem Schreibtisch zu schaffen, um ihre Gedanken in Schach zu halten. Sie blätterte so leise wie möglich, um nicht aufzufallen. Durch das Fenster schaute sie auf das Döderhultstal, allerdings nur ganz kurz. Sie hatte Angst, beim wunderschönen Anblick der honiggelben, milden Herbstsonne, die immer wieder durch dunkelgraue Wolken brach, in Tränen auszubrechen.
    Sie zerbrach sich den Kopf, was sie übersehen haben könnte. In der kurzen Zeit hatte sie nicht viel mit der Patientin zu tun gehabt. Sie hatte ihr eine Spritze mit einem Schmerzmittel verabreicht, das war alles, und ihr ein paar Tabletten

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