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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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Eindruck, wenn Sie zu Ihrer Freundin ins Zimmer gingen?«, fragte Louise stattdessen, da sie die Vernehmung auf Band aufnahm.
    »Das hätte so gewirkt, als würde ich eine bestimmte Patientin bevorzugen. Das ist heikel. Man muss immer gerecht sein«, erklärte Harriet Rot. »Sonst wird so viel geredet. Ich sorgte also dafür, dass nicht nur ich mich um Charlotte kümmerte. Ich schickte stattdessen die Neue, Sara-Ida. Und das war natürlich in gewisser Weise unglücklich.«
    »Sie waren also heute Vormittag nur einmal bei Charlotte Eriksson?«
    »Ja, nur einmal. Ich hielt das für ausreichend. Ich blieb, wie ich eben schon gesagt habe, recht lange. Aber da sie mich kannte, konnte ich einfach dort sitzen. Sie wissen schon«, fuhr Harriet Rot fort und wandte Louise Jasinski ihr verquollenes Gesicht zu. »Sonst sind mehrere und kurze Besuche vorzuziehen. Man verkraftet kaum mehr, wenn es einem schlecht geht.«
    Sie schnäuzte sich erneut.
    »Möchten Sie noch etwas sagen?«
    »Es ist nur so eine Überlegung, vielleicht auch ein vollkommen verrückter Gedanke, machen Sie sich am besten selbst einen Reim darauf. Aber wenn wir Patienten haben, denen es richtig schlecht geht, die im Sterben liegen, dann passiert es recht oft, dass sie ihren letzten Atemzug tun, wenn sie ganz allein sind. Sie wagen es erst, ganz loszulassen, wenn ihre Angehörigen Kaffee trinken gegangen sind. Als wollten sie ihre Ruhe haben, allein sein, wenn sie so etwas Bedeutungsvolles und Wichtiges tun wie zu sterben«, meinte Harriet, und ihre Stimme hatte wieder mehr Kraft.
    Louises Augen wurden feucht. Sie war nie auf die Idee gekommen, dass man das auch so sehen konnte. Sie schaute auf ihren Block. Natürlich war das Sterben etwas Fundamentales. Das Ende des irdischen Lebens, ganz gleichgültig, ob man jetzt an ein Leben nach dem Tod glaubte oder nicht.
    »Glauben Sie, dass das bei Charlotte auch so war?«, fragte sie vorsichtig.
    Das war beunruhigend. War die Tote deprimiert gewesen? Davon hatte niemand ein Wort gesagt.
    »Ich glaube eigentlich überhaupt nichts, aber man kann nie wissen«, sagte Harriet. Sie weinte. »Das stimmt natürlich nicht ganz. Charlotte war nicht so schlecht beisammen, dass sie schon hätte sterben müssen. Schließlich war sie auf dem Wege der Besserung. Sie wollte sich wieder dem Leben stellen. Einem ganz normalen Leben.«
    »Meinen Sie, dass Charlotte vielleicht irgendeinen Grund hatte, sterben zu wollen?«, fuhr Louise Jasinski etwas provozierend fort.
    Harriet zuckte mit den Achseln, wies diese Vermutung aber auch nicht von sich.
    »Ich weiß nicht. Sie hätte mehr Grund gehabt, weiterzuleben als zu sterben. Aber …«
    »Aber was?«
    »Warum in aller Welt hat sie nicht geklingelt?«
    Ja, warum hat sie das nicht getan?, überlegte Louise und versuchte, sich das Ganze vorzustellen. Das Bett und den Nachttisch mit dem roten Knopf, auf den man drücken konnte. Louise war selbst nie richtig krank gewesen und kannte vom Krankenhaus nur die Entbindungsstation. Sie wusste also nicht recht, wie man sich in einer Klinik verhielt. Und dass sie in der Krankenpflege gearbeitet hatte, war so lange her, dass sie das meiste vergessen hatte. Sie schrieb Folgendes auf ihren Block: »Warum hat sie nicht geklingelt?« Das Tonband lief zwar, und sie wusste, dass ihr vieles deutlicher werden würde, wenn sie die Abschrift las, aber sie wusste auch, dass andere Dinge untergingen.
    Draußen war es allmählich dunkel geworden. Es war nicht nur der Abend gekommen, blauschwarze Wolken hatten sich am Himmel aufgetürmt.
    »Da gibt es noch etwas, was mir nicht so recht klar ist«, sagte Louise Jasinski. »Wie lange haben Sie sich eigentlich gekannt?«
    »Vielleicht seit zehn Jahren. Wir gehörten zum selben Nähkränzchen, oder wie immer man das nennen will, und sehen uns vielleicht alle zwei Monate. So haben wir uns auch kennen gelernt.«
    Louise nickte. Fast alle Frauen nahmen an irgendwelchen Gemeinschaftsaktivitäten teil, außer sie selbst, da sie immer so unregelmäßige Arbeitszeiten hatte, dass sie gefunden hatte, es sei der Mühe nicht wert.
    Sie hatten bereits die Namen aller, die abends bei Harriet Rot gewesen waren. Die Liste lag im Präsidium. Louise hatte sie noch nicht gesehen, wusste aber, dass man noch nicht mit allen gesprochen hatte. Die Sache mit der kleinen Matilda war dazwischengekommen, und die Schussverletzung war erst einmal liegen geblieben.
    Aber jetzt sah es natürlich ganz anders aus.
    »Wie nahm das Ganze seinen

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