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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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bekommen. Sie waren gezwungen gewesen, wieder aufzumachen und den Darm eine Zeitlang auf ihren Bauch zu legen. Das war für die junge Frau, die geplant hatte, einen langen Sommer an einem exotischen Strand zu verbringen, eine Tortur gewesen. Schließlich hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt. Was war ihr auch anderes übrig geblieben? Sie hatten den Darm wieder im Bauch verstauen können, und sie hatte ein paar Narben auf der Bauchdecke, aber keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Mit den Eltern hatte es richtig Ärger gegeben, besonders mit dem Vater, einem Ingenieur, der vollkommen stur argumentiert hatte. Vermutlich hatte er seinen Brief an die Beschwerdestelle der Gesundheitsbehörde mit hochrotem Kopf verfasst. Als man Veronika nicht einmal verwarnt hatte, war er vollkommen fassungslos gewesen. »Das darf einfach nicht sein!«, hatte er gebrüllt.
    Vielleicht hatte sie damals Dan mit ihrer Egozentrik und ihren ständigen Skrupeln in die Flucht geschlagen. Das war ihr erst sehr viel später gedämmert. Er hatte sich in die Arme von seiner Ansicht nach weniger egozentrischen Frauen, die seinem Ego mehr abgewinnen konnten, geworfen.
    Sie dachte an die Redensart, kleine Ursache, große Wirkung. War das die kleine Ursache? Dass ein Sündenbock gebraucht wurde? Als Ärztin und Chirurgin heimste sie Ehre und Anerkennung ein, wenn alles gut ging, aber sie trug auch die Schuld, wenn die Dinge nicht wie geplant verliefen.
    Es graute ihr davor, Charlottes Ehemann gegenüberzutreten, aber sie war bereit, sich dem auszusetzen, der Trauer und Wut und den verschiedenen Ausdrucksformen der Verzweiflung. Sie wollte einfach nur da sein. Das war schwer, aber man musste die Suppe eben selbst auslöffeln, wie sie sich im Kollegenkreis ausdrückten.
    Als sie vom Fahrrad stieg, war sie mental vorbereitet.
     
    »Findelkinder sind in Schweden ungewöhnlich. In den letzten zwanzig Jahren gab es nur etwa zehn bekannte Fälle«, sagte Erika Ljung zu ihren Kollegen, die sich zur Morgenbesprechung um den großen, ovalen Tisch versammelt hatten.
    Alle waren sehr ernst.
    Der Himmel war wolkenlos, es würde einen klaren und kühlen Herbsttag geben, und die unnatürliche Wärme sollte laut Wetterbericht abnehmen.
    Die Kollegen hatten Erika Ljungs Liste vor sich liegen. Claesson hatte bereits gesehen, dass sich in der Mehrzahl der Fälle die Mütter schließlich gemeldet hatten. Mutter und Kind hatten zusammengeführt werden können und waren, das war zu hoffen, glücklich geworden. Aber er hatte auch gesehen, dass einige Kinder bei Pflegeeltern geblieben oder schließlich adoptiert worden waren. Vielleicht genauso gut, tröstete er sich.
    Gar nicht so unwahrscheinlich war es also, dass sie die Mutter der kleinen Matilda finden würden. Es war ihm wirklich ein Anliegen, dem kleinen Mädchen zu helfen.
    Claesson vermutete, dass er sich nicht als Einziger Gedanken darüber machte, was die Mutter für ein Mensch war. War sie wirklich eine Person, auf die man in der Not bauen konnte?
    Der kleinen Matilda fehlte es jedenfalls nicht an potenziellen Erziehungsberechtigten. Die Anzahl der Familien, die sie adoptieren wollten, nahm von Tag zu Tag zu. Sie wurden ans Jugendamt verwiesen.
    »Meist ist die Mutter jung, allein und sehr unglücklich, gelegentlich auch verwirrt«, fuhr Erika fort.
    Um zwei Uhr sollte eine Pressekonferenz stattfinden. Bis dahin musste ihnen eine gute Strategie einfallen.
    Louise Jasinski war noch nicht sonderlich weit mit ihren Nachforschungen bei Hebammen, Mütterkliniken und Entbindungsstationen gediehen, als sie unterbrochen wurde und ins Krankenhaus fahren musste. Sie hatte anscheinend einen neuen Fall zu bearbeiten und gab ihre Aufgabe an einen jungen Polizisten namens Martin Lerde ab. Er meinte, dass sich alles klären würde, je ausführlicher Presse, Radio und Fernsehen berichten würden.
    »Man kann schließlich in den Medien so deutlich werden, dass alle begreifen, dass es uns extrem wichtig ist«, meinte er.
    Janne Lundin hatte sich mit einer Oberärztin der Psychiatrie in Västervik namens Maria Stevenson unterhalten.
    »Engländerin?«, fragte Erika Ljung.
    »Nein, sie hatte keinen Akzent, auch keinen amerikanischen. Aber danach habe ich nicht gefragt. Sie bestätigte das Bild einer unglücklichen und einsamen Mutter, die irgendwie ausgerastet ist.«
    Eine unglückliche Mutter, ein im Stich gelassenes Kind. Darüber waren sich jetzt alle im Klaren.
    »Und?«, meinte Claesson. »Wie sollen wir die Sache

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