Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
rechtzeitig wieder zu Hause sein. Vielleicht würden sie anschließend noch ins Café gehen, um endlich wieder einmal gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen, obwohl es an sich genauso nah lag, nach Hause zu gehen und sich an den Küchentisch zu setzen.
Am Morgen hatten sie sich über Geld gestritten. Die Ältere hatte allein oder mit einer Freundin Kleidung kaufen gehen wollen. Sie war vierzehn und fand, ihre Mutter sei hysterisch und altmodisch, weil sie sie nicht allein shoppen ließ. Aber Louise wollte sichergehen, dass Gabriella nicht nur modische Sachen kaufte. Sie sollten auch warm und praktisch sein. Sie war sich jedoch bewusst, dass alle ihre Fehler machen mussten, selbst ihre Töchter. Sie konnte es sich bloß nicht leisten. Nicht gerade jetzt.
Im Übrigen hatte es nur Vorteile, zentral zu wohnen. Täglich dachte sie über ihre neue Wohnsituation nach. Nach wie vor betrachtete sie ihre neue Umgebung mit Neugier und Aufgeschlossenheit.
Die Wände der Wohnung waren noch kahl.
Sie überlegte, was sie aufhängen sollte. Sie besaß ein paar hübsch gerahmte Plakate, hatte aber noch kein einziges aufgehängt. Wandregale samt Haken, alles, was in die Wand gedübelt werden musste, hing ebenfalls noch nicht. Ihr fehlte das Werkzeug. Sie fragte sich, wen sie um Hilfe bitten sollte.
Verdammt! Sie musste endlich lernen, mit solchen Sachen selbst fertig zu werden.
Der Garten, dachte sie plötzlich, jedenfalls blieb ihr die Gartenarbeit erspart, und das bedeutete einen großen Zeitgewinn. Sie brauchte auch kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, weil sie ihn vernachlässigte. Gleichzeitig sehnte sie sich wahnsinnig danach, sich mit einem Glas Wein auf einen Gartenstuhl zu setzen und den Sonnenuntergang zu beobachten. Man weiß nicht, was einem fehlt, erst wenn es zu spät ist. Der Spatz in der Hand.
Aber wie oft hatte sie eigentlich im Garten gesessen und philosophiert? Alles andere als oft. Wahrscheinlich ging es ihr hauptsächlich um die Wahlfreiheit.
Sie hatte es nicht eilig und fuhr nur siebzig. Alena Dvorska hatte ihr den Weg beschrieben. Außerdem hatte sie sich eine detaillierte Landkarte mitgenommen.
Sie fuhr durch einen hübschen Mischwald. Hier wuchsen nicht nur düstere Nadelbäume. Sicherlich gab es hier auch viele Pilze. Sie gehörte nicht zu den Leuten, die Pilze sammelten, aber es war schließlich nie zu spät für neue Gewohnheiten.
Vielleicht sollte sie sich einen Mann suchen, der Pilze sammeln ging? Einen, der friedliche Wald- und Wiesenspaziergänge zu schätzen wusste. Ungefähr so wie für einen Hund bei einer Hundeausstellung formulierte sie die Anzeige im Kopf: Kein Stammbaum, etwas älter, aber mit angenehmem Naturell, gut geeignet für Familie mit Kindern. Noch skeptischer war sie, was Kontaktanzeigen im Internet anging, obwohl sie schon von vielen geglückten Begegnungen gehört hatte. Das schien eine Wissenschaft für sich zu sein. Außerdem kostete es Zeit. Das konnte regelrecht zur Sucht werden. Eine der Sekretärinnen hatte erzählt, dass man sich nie entscheiden könne, man glaube immer, es würde sich einer finden, der noch besser sei.
Was war aus dem Prickeln geworden?, fragte sie sich. Ein Reh hatte mitten auf der Straße innegehalten und sah sie aus schwarzen glänzenden Augen an. Sie verlangsamte, das Tier lief weiter und verschwand zwischen den Zweigen.
Janos hatte immer gesagt, sie habe die schönsten Augen, die man sich vorstellen könne. Das war, nachdem sie sich kennengelernt hatten. Man könne in ihnen ertrinken.
Er hatte das auch im Laufe der Jahre gelegentlich noch gesagt und ihr dabei einen Klaps auf den Po gegeben, was sie aber nie als kränkend empfunden hatte. Außer im letzten Jahr. Da war er durch die Tür verschwunden und hatte sich geschämt wie ein Hund. Da hatte es plötzlich keine Berührungen und Bemerkungen über Augen, in denen man ertrinken könne, mehr gegeben.
Sie bog Richtung Küste von der Landstraße ab. Der Asphalt ging in Sand über. Sie zog die Landkarte hervor und las die Wegbeschreibung auf ihrem Block. Dann fuhr sie langsam weiter durch die menschenleere Landschaft.
Der Wald lichtete sich, und sie näherte sich dem Meer. Einige Jahre lang hatten Janos und sie ein Sommerhaus in den Schären von Misterhult gemietet. Es war ganz in der Nähe des Kernkraftwerks Oskarshamn in Simpevarp gelegen, aber das hatte ihnen nichts ausgemacht. Die gesamte Küste Smålands war unendlich schön. Nicht zuletzt deswegen, weil der Granit der Schären bei
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