Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Brust legte. Die Tür war geschlossen. Schritte waren auf dem Gang zu hören, ein paar Autos fuhren unten auf der Straße vorbei. Sonst war es still.
Sie sah sich um, während Nora trank. Sie scheint die Präsenz ihres Vaters zu spüren, obwohl er nicht da ist, dachte sie. Claes, weit weg und trotzdem da. Sie sehnte sich nach ihm und war in Gedanken bei ihm.
Sie war früher schon in seinem Büro gewesen, aber immer nur sehr kurz. Jetzt hatte sie Muße, seinen Alltag aus der Perspektive einer Besucherin auf sich wirken zu lassen. Ein großes Zimmer mit einem Fenster, das die gesamte Nordwand einnahm. Gefüllte Bücherregale und Schränke unterschiedlichen Alters. Es war deutlich, dass einige später angeschafft worden waren.
Sie dachte, dass es schön war, mit einem Mann verheiratet zu sein, auf den man stolz sein konnte. Er hatte einen guten Ruf, hauptsächlich weil er so zuverlässig und vernünftig war. Unvorstellbar, mit jemandem verheiratet zu sein, der allgemein nur als Trottel, Griesgram oder Miesepeter galt! Aber es gab natürlich auch Frauen, die mit solchen Männern verheiratet waren.
Da entdeckte sie die Beschriftung »T-fall« auf dem Rücken eines Aktenordners.
T-fall?
Todesfall natürlich, verstand sie und verzog den Mund.
Tina Rosenkvist hatte ein Einzelzimmer bekommen und schämte sich nicht dafür, da es viele freie Betten gab. Sie war schließlich nicht wirklich krank und nahm das Personal kaum in Anspruch. Sie hatte geduscht und ein neues Nachthemd angezogen. Ihre Mutter wollte ihr frische Kleider bringen. Was sie am Vortag getragen hatte, hatte die Polizei beschlagnahmt, um es auf DNA-Spuren des sogenannten Täters zu untersuchen. Haare, Fasern, Speichel und alles andere Erdenkliche. Sie war nicht vergewaltigt worden. Immerhin das nicht.
Die geliebte Soffan kam mit einem Tablett mit Tee und Butterbroten herein. In einer Kanne aus rostfreiem Stahl war Saft mit Eiswürfeln.
»Wirklich nett von dir«, sagte Tina und lächelte schwach. So blieb es ihr erspart, sich mit ihrem geschwollenen Hals im Aufenthaltsraum zu zeigen.
»Ich finde, dass Kollegen ein Anrecht auf Sonderbehandlung haben«, sagte Soffan.
Effizientere Pflege sei eigentlich der einzige Vorteil ihres Berufs, scherzte sie gelegentlich. Während der Arbeitszeit konnte man einen der Ärzte um ein Rezept bitten oder sich einen Untersuchungstermin geben lassen. Später, im Rentenalter, würde das dann nicht mehr so einfach gehen. Sie erinnerte sich an den älteren Mann, der stundenlang mit einer Hüftfraktur auf dem Gang liegen musste, weil es kein freies Bett gab. Es dauerte ewig, bis er überhaupt geröntgt werden konnte.
Dann war die Ehefrau gekommen. Sie hatte nichts gesagt, aber sie hatten sie erkannt. Der Mann war früher Arzt an der Klinik gewesen und hatte die Abteilung zu dem gemacht, was sie jetzt war, aber das zählte nicht mehr.
Soffan zog das Rollo hoch und öffnete das Fenster einen Spalt. Tina blinzelte und hielt sich die Hand vor die Augen.
»Entschuldige, ist das zu hell?«, fragte Soffan.
»Nein, es geht schon.«
Netterweise stellte Soffan keine weiteren Fragen. Sie schien nicht einmal neugierig zu sein. Nichts deutete darauf hin, dass sie sie gerne ausgefragt hätte.
»Sag Bescheid, wenn du was brauchst«, sagte sie nur und ging wieder.
Nachdem Soffan gegangen war und Tina auf der Bettkante gefrühstückt hatte, setzte sie sich mit einer zwei Jahre alten Svensk Damtidning auf den Sessel. Sie betrachtete zerstreut eine Doppelseite, auf der die festlich gekleidete Königsfamilie abgebildet war. Ihr Leben erschien ihr verglichen mit ihrer eigenen Situation so künstlich, bunt und oberflächlich, auch wenn das natürlich nicht immer so war. Denn auch eine Königsfamilie hatte schließlich ihre Probleme. Es erwischt jeden mal, sagte Birgitta Olsson immer, aber ohne Verbitterung.
Wie es ihr wohl ging, der Ärmsten?
Aber ihr Interesse an Birgitta verging wieder. Sie hatte nicht die Kraft, an jemand anderen zu denken. Sie hatte genug mit sich zu tun.
Ein Polizist hatte ihr viele Fragen gestellt. Er hatte am Vorabend auf diesem Sessel gesessen, und seine Anwesenheit hatte beruhigend gewirkt. Er hatte es offenbar nicht eilig, und deshalb ging die Befragung schnell über die Bühne. Es ging immer alles schneller, wenn man nicht stresste, sondern ruhig und methodisch vorging. Sie kannte das von ihrer eigenen Arbeit. Stresste man, dann ging alles schief, und man fand die Vene nicht oder die Infusionsschläuche
Weitere Kostenlose Bücher