Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Trödler, dahinter kamen ein paar Teppichgeschäfte. Claesson sah, dass einer der Teppichhändler eine große, korpulente Frau mit aschblondem, kurz geschnittenem Haar anlächelte.
»Where are you from?«, rief er.
»Sweden«, erwiderte die Frau lächelnd.
Dacht’ ich’s doch, dachte Claesson. Diese Leinenkleider gibt es nur in Schweden.
»Ah! Markaryd and Gnosjö«, rief ihr der Teppichhändler fröhlich hinterher. Sie war weitergegangen, ohne stehen zu bleiben.
Hat man Markaryd und Gnosjö gesehen, dann hat man Schweden gesehen, dachte Claesson.
In diesem Augenblick fiel ihm auf, dass sich Mustafa Özen und Merve tief in die Augen schauten, und das nicht zum ersten Mal.
Claesson trat ihm gegen das Schienbein.
»Vergiss nicht, dass du schwedischer Polizist bist und wieder mit nach Hause fährst«, sagte er leise.
Özen grinste ihn verlegen an. Merve konterte mit etwas auf Türkisch, und Özen antwortete mit zuckersüßer Stimme in ihrer gemeinsamen Sprache und schüttelte den Kopf. Merve lächelte, legte den Kopf schief und funkelte Claesson durchdringend an.
»Worüber habt ihr gesprochen?«, wollte er auf Schwedisch wissen und fuhr sich mit der winzigen Papierserviette über den Mund.
»Ich habe nur gesagt, dass du sie umwerfend hübsch findest«, lächelte Özen.
Auch das noch, dachte Claesson und senkte seine hochgezogenen Augenbrauen wieder.
Ihr nächstes Ziel war die Pathologie, wo Carl-Ivar Olssons Leiche in einem Kühlraum verwahrt wurde. Mit gewisser Mühe hatten sie den Termin mit der Witwe und den beiden Kindern koordiniert. Claesson war diesen drei Personen bislang noch nicht begegnet, ein Treffen war wirklich überfällig. Die Familie sollte Carl-Ivar Olsson jetzt identifizieren.
Merve trat auf die Straße und winkte ein gelbes Taxi heran.
Das Institut für Gerichtspathologie lag neben einem größeren Krankenhaus. Claesson fragte nicht, wo genau, sondern stieg einfach ein. Sie fuhren durch enge und kurvige Straßen und Gassen, dann weiter eine stark befahrene Ausfallstraße entlang, auf der unablässig gehupt wurde.
Der Taxifahrer hatte sich den Sicherheitsgurt über die Schulter gelegt, um den Schein zu wahren, ihn aber nicht eingeklinkt. Claesson erinnerte sich an die Zeit, als Gurttragen in den siebziger Jahren in Schweden gesetzlich vorgeschrieben war und viele, vor allen Dingen Männer, es genauso machten, weil sie glaubten, ein guter Fahrer sei unsterblich.
Auf dem Rücksitz war es übertrieben still. Claesson drehte sich um. Merve und Özen saßen wie zwei entgegengesetzte Pole eines magnetischen Kraftfeldes da. Claesson ahnte, dass sie sich anstrengen mussten, so zu tun, als wäre nichts, während sie geistesabwesend vor sich hin starrten.
Glauben die, ich bin blöd?, dachte er und sah durch die Windschutzscheibe, wie ein magerer Mann mit einer schwer beladenen Holzkarre dem Verkehr auszuweichen suchte.
Gleichzeitig beschlich ihn ein unbehagliches Gefühl des Ausgeschlossenseins, vielleicht gemischt mit etwas Neid. Er kam sich vor wie das fünfte Rad am Wagen. Nimm dich zusammen!, ermahnte er sich. Und das Gefühl verschwand in demselben Augenblick, in dem er sich dessen bewusst wurde. Er hatte seinen Hafen gefunden. Er war nicht nur ein verheirateter Mann mit Kindern, sondern ein Mann, dem es gefiel, verheiratet zu sein und Kinder zu haben.
Das Taxi verlangsamte und fuhr durch ein offenes Tor. Dann blieb es vor einem würfelförmigen Gebäude stehen. Ein anderes Taxi hatte vor ihnen gehalten. Drei Personen stiegen aus, nein vier. Die Angehörigen.
Merve Turpan erhielt einen Anruf auf ihrem Handy. Sie schaute auf das Display und unterdrückte den Anruf. Die Mutter?, überlegte Claesson. Sie hatte ab und an angerufen, und Merve hatte gemeint, die Fürsorge ihrer Mutter für ihre Tochter kenne keine Grenzen.
Merve betrat das Gebäude als Erste und wandte sich an eine dickliche Frau in grüner Krankenhauskleidung. Ihre Hose spannte und auch das weiße Hemd war zu eng. Das war die Gerichtsmedizinerin. Sie verschwand hinter einer Tür mit einer Milchglasscheibe, während Familie Olsson ungeduldig wartete.
Claesson begrüßte sie nacheinander. Die Gattin, Birgitta Olsson, war eine zierliche und vergleichsweise gut erhaltene Frau. Sie wirkte nett, aber aus verständlichen Gründen recht erschöpft. Die Tochter, Lotta Öberg, starrte auf den Fußboden und fuhr sich unablässig mit der Zungenspitze nervös über die Lippen. Der Sohn, Johan, grüßte mit festem Händedruck,
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