Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
die nur bis zu den Knöcheln reichten, und keine Socken in ihren Ballerinas. Vermutlich wollten sie nicht einsehen, dass der Sommeranfang gerade eine Pause eingelegt hatte. Wie in dem alten Kinderlied über das Leberblümchen in den Hügeln, das dasteht, knickst und sagt: »Jetzt ist Frühling.«
Sie waren angelangt, erklommen die Stufen auf der Ecke und öffneten die Tür. Annelie Daun schreckte auf. Sie brauchten gar nicht erst zu fragen, ob sie ihr einen Schrecken eingejagt hatten.
Claesson stellte sich und Mustafa Özen vor. Sie nickte und meinte, sie könne sich durchaus noch an sie von ihrem letzten Besuch im Teppichgeschäft erinnern. Sie lächelte gezwungen und misstrauisch.
»Meine Frau hat hier einen Teppich zur Reparatur abgegeben«, begann Claesson. »Sie heißt Veronika Lundborg.«
Annelie Daun entschuldigte sich sofort. »Das tut mir furchtbar leid«, stammelte sie. »Aber bei der Werkstatt in Stockholm hat es eine Verzögerung gegeben. Er ist leider noch nicht fertig!«
Offenbar wusste sie nicht, was vorgefallen war. Claes wartete eine Weile, um ihr die Möglichkeit zu geben, es sich noch anders zu überlegen. Er sah, wie ihre Gesichtsfarbe rasch von einem kleidsamen Frühsommerbraun ins Hochrote changierte, das bis zum Hals herunterreichte und mit ihrem hellgrünen Pullover mit einem tiefen V-Ausschnitt kontrastierte.
»Der Teppich liegt im Augenblick in unserer Dienststelle«, meinte er und wartete ihre Reaktion ab.
Sie riss die Augen auf, schluckte, ihr Blick irrte verunsichert umher, bis er schließlich auf einem Loribaft, Mahal, Ingelas, Kaschan oder wie die Teppiche auch immer hießen, zur Ruhe kam. Ihm fiel auf, dass sie kleine Schilder aufgehängt hatte, auf denen Namen und Herkunftsregion der Teppiche standen. Sie dachte sich Verbesserungen aus. Vermutlich verfolgte sie damit eine bestimmte Absicht.
»Also«, sagte er schließlich.
»Mein Gott, wie dumm ich war …«
Sie ließ sich auf den Stuhl hinter dem Tresen sinken, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte aus Kirschbaumholz und legte das Gesicht in die Hände. So saß sie eine ganze Weile da.
Özen blieb neben der Ladentür stehen, und Claesson setzte sich auf einen Lehnstuhl, vermutlich eine Antiquität, der mit einem Stoff mit Tigermuster bezogen war.
Annelie Daun hatte sich gefasst und hob langsam den Kopf.
»Ein Mann hat den Teppich gestohlen«, sagte sie schließlich. »Ich glaube das zumindest. Ich habe mich nicht getraut, zur Polizei zu gehen … das war dumm, das sehe ich jetzt ein. Die Wahrheit kommt ja doch immer ans Licht. Aber ich dachte, dass der Teppich vielleicht wieder zurückkommt. Ich hatte Angst, dass das Geschäft einen schlechten Ruf bekommen könnte. Jetzt nach dem Mord an Carl-Ivar und so! Das ist schon schlimm genug … obwohl ich in den letzten Tagen sehr viel Kundschaft hatte.«
Claesson sah sie fragend an.
»Die Geschäfte liefen ungewöhnlich gut.« Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht weil die Leute neugierig sind.«
Claesson bat sie, noch einmal zu erzählen, wie ihr der Teppich abhandengekommen war. Sie berichtete, dass der aufgerollte Teppich in eine Plastikfolie verpackt war. Sie hörte die Ladentür, war aber nicht mehr rechtzeitig aus dem Keller nach oben gekommen. Der aufgerollte Teppich war seither wie vom Erdboden verschluckt!
Sie erzählte auch, ein Mann habe sie ein paar Tage zuvor im Laden aufgesucht und nach Carl-Ivar gefragt. Diesen Mann hatte sie auf dem Gehsteig beobachtet, als sie zur Post ging, um Claes’ und Veronikas Teppich abzuholen.
»Ein so hübscher anatolischer Gebetsteppich«, meinte sie und lächelte. »Natürlich ist es wichtig, dass Sie den zurückbekommen!«
Er nickte. Das hätten die Burschen auf der Dienststelle mal hören sollen. Das Gutachten einer Expertin. Ihr Teppich war hübsch. Na also!
»Wahrscheinlich hat mich der Mann verfolgt, als ich zur Post gegangen bin und ihn abgeholt habe«, mutmaßte sie, und Claesson merkte ihr an, dass sie die Angelegenheit genau durchdacht haben musste.
Sie entschuldigte sich und rannte die Treppe runter zur Toilette, um sich die Nase zu putzen.
Aber er hat den falschen Teppich erwischt, dachte Claesson. Also hat er ihn in einen Müllcontainer geworfen, der vor einem großen Einfamilienhaus an der Besvärsgatan stand. Niemand in diesem Haus hatte einen Teppich weggeworfen, danach hatten sich die Kollegen bereits erkundigt.
War das der nächstgelegene Müllcontainer gewesen? Wohnte der Mann in der Nähe oder war
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