Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
sah sie ihn an der Giebelseite aus einem Haus treten. Der klassische Kücheneingang. Sie fuhr noch langsamer und wollte ihm gerade zuwinken, aber da ging er schon mit zu Boden gerichtetem Blick Richtung Scheune.
Er wohnte in einem alten, hübschen, zweistöckigen Holzhaus, natürlich in klassischem Rot. Es lag ein Stück von der Straße entfernt. Dahinter erstreckte sich das Tal, auf das er sicher eine hübsche Aussicht von der Rückseite des Hauses aus hatte. Die weißen Hauspfosten und die Veranda waren frisch gestrichen. Alles wirkte sehr idyllisch und gepflegt.
An der einen Hausecke stand ein großer Flieder. Seltsamerweise bewegte sich jemand hinter diesem Busch. Ein recht großer Mann. Vielleicht wollte er durch den Kücheneingang das Haus betreten? Vermutlich hatte Christoffer jemanden, der ihm mit dem Haus half, vielleicht einen Polen. Eine ländliche Idylle instand zu halten, kostete Zeit, und die hatte man nicht, wenn man viel arbeiten musste.
Veronika musste einem dunkelgrünen Saab ausweichen, der zwischen zwei Grundstücken nachlässig am Straßenrand abgestellt war.
Anschließend bog sie links nach Applekulla ab.
33
Annelie Daun nahm vor dem Abschließen das braune Schutzpapier aus dem Schaufenster. Sie hätte das schon am Nachmittag tun sollen. Es sah wirklich nicht gut aus. Schon vor Stunden war die Sonne verschwunden. Sie entschuldigte ihr Versäumnis damit, dass ungewöhnlich viel zu tun gewesen war.
Ein regelrechter Ansturm, dachte sie zufrieden.
Sie hatte zwei Gebetsteppiche verkauft, erst einen persischen dicht geknüpften Keschan, klein gemustert in kräftigen Farben, rot, blau und beige, dann einen türkischen Teppich aus Konya, er war heller, gelb, braun und blassrot.
Eine Weile waren vier Kunden im Laden gewesen, und die Stimmung war alles andere als von Trauer erfüllt, obwohl alle ihr Beileid bekundeten.
Zufriedene Kunden waren immer eine Ehre. Sie freute sich stets, wenn die Leute den Laden stolz und zufrieden mit einem aufgerollten Teppich unter dem Arm verließen.
Der Tag war aber auch noch in anderer Hinsicht ein Erfolg gewesen.
Außer zwei Teppichverkäufen, eine erfreuliche Tagesstatistik, hatte sie einen neuen Auftrag erhalten, den sie sich selbst erteilt hatte. Ihre Ungeduld, endlich aufbrechen zu können, war in Rastlosigkeit übergegangen. Nur noch ein Weilchen!
Sie rückte den Teppichstapel in der Ecke zurecht und strich mit der Hand über einen schönen, weichen Bachtiari mit einem Lebensbaum, Blumen und Büschen in verschiedenen Feldern. Sie musste einfach über die Teppiche streichen. Als streichelte man einen Hund, dachte sie. Oder Christoffer übers Haar.
Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Dass das Leben so kompliziert sein musste!
Plötzlich sah sie ein rotes Blatt Papier vor ihrem inneren Auge. Sie ließ es vorbeiflattern, sie hatte sich vorgenommen, nichts zu übereilen. Zu schweigen. So zu tun, als sei nichts. Das konnte manchmal genau den gewollten Effekt erzielen.
Die Geschäfte waren in den letzten Tagen glänzend gelaufen, und sie hatte wieder etwas Selbstbewusstsein zurückgewonnen. Es war jedoch erschreckend, dass der Tod so gut fürs Geschäft war. Ein ermordeter Teppichhändler war das Beste, was dem Laden in letzter Zeit passiert war. Das war eine sehr beklemmende Erkenntnis.
Betrüblich war auch, dass ihr ein Teppich abhanden gekommen war.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wollte sie gar nicht daran denken. Ausgerechnet jetzt, wo alles so gut lief!
Der Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer lag auf dem Tisch, aber es hatte ihr derart widerstrebt, davon zu erzählen, dass sie noch nicht angerufen hatte.
Was würde die Kundin wohl denken? Noch dazu eine Kollegin von Christoffer!
Dinge sprachen sich rasch herum, sie mochte das nicht, denn sie hatte ganz genaue Pläne, die noch geheim waren. Ihr war die Idee gekommen, die Nachfolge von Carl-Ivar anzutreten. Falls sie genügend Geld aufbrachte, um sein Warenlager übernehmen zu können. Vielleicht konnte sie einen Kredit aufnehmen.
Ein antiker Sivas war gestohlen worden. Er war schon stark abgenutzt, und der Flor der Gebetsnische war vom vielen Gebrauch ganz verschwunden. Wer konnte damit überhaupt etwas anfangen? Als die hochschwangere Kollegin von Christoffer den Teppich zur Reparatur abgab, hatte er sowohl Carl-Ivar als auch ihr sehr gefallen. Aber wer wusste außer ihnen beiden noch von dem Teppich? Im kleinen Oskarshamn? Oder jemand wollte ihr einfach nur einen Streich
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