Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
spielen.
Vielleicht hatte die Werkstatt in Stockholm den Teppich wieder zurückgenommen. Aber warum hatten sie ihn erst geschickt, wenn sie ihn anschließend wieder mitnahmen? Außerdem war der Mann in der Werkstatt die Ordnung in Person, das wusste sie. Sie wollte bis morgen warten und ihn dann anrufen. Die Kundin würde sie auch erst benachrichtigen, wenn sie sich halbwegs gewappnet hatte, ihr die Wahrheit zu sagen.
Der Teppich hatte zwar einen gewissen Wert, würde aber auf dem Markt keine größere Summe einbringen. Das konnten die Junkies schließlich nicht wissen, die rasch an Geld kommen wollten. Aber ließ man dann einen Teppich mitgehen? Gelegenheit machte Diebe.
Von dem Teppichtrick hatte sie außerdem schon gehört. Er wurde meist in den Großstädten praktiziert, aber üble Tricks breiteten sich früher oder später wie Blattläuse im ganzen Land aus. Sie hatte in der Zeitung von den Banden gelesen, die ihr Unwesen trieben. Man rief jemanden an und teilte ihm mit, er habe einen Teppich gewonnen. Dann wurde dem Opfer ein Besuch abgestattet. Während der Teppich in der Diele ausgerollt wurde, schlich ein Komplize ins Haus und sammelte alles ein, was nicht niet- und nagelfest war. Schmuck, Geld, alles, was sich leicht veräußern ließ. Oft suchten die Banden ältere gutgläubige Menschen heim, die nicht das Herz hatten, den Eindringlingen die Tür zu weisen. Vielleicht glaubten sie, ihre Erinnerung habe sie im Stich gelassen und sie hätten wirklich ein Los gekauft. Und sich zu einem schlechten Gedächtnis zu bekennen, war gerade für Ältere keine Selbstverständlichkeit.
Eigentlich musste Annelie die Polizei verständigen. Aber auch das widerstrebte ihr.
Sie drehte das Schild um. Geschlossen. Dann öffnete sie die Tür und trat auf die Treppe.
Sie hatte zwei Stunden Zeit. Das würde reichen. Um sieben Uhr war sie bei Gabriella Eklund eingeladen, ihrer ältesten und besten Freundin, die in Mysingsö in einem neuen, schönen Haus wohnte, mit großen Fenstern, die den Blick aufs Meer und auf die sagenumwobene Insel Blå Jungfrun freigaben, die wie eine Kuppel vor Oskarshamn aufragte.
Rückblickend betrachtete Annelie ihre Freundschaft mit Gabbi als einen der großen Glückstreffer ihres Lebens. Sie hätte bereits in der Grundschule in ganz andere, schlechte, Gesellschaft und auf die schiefe Bahn geraten können. Schließlich war sie als Kind schutzlos gewesen, und das ging ihr zum Teil heute noch so, weil sie das Gefühl, benachteiligt zu sein, nicht abschütteln konnte.
Gabbi war ein netter Mensch und gehörte nicht zu den Leuten, die andere unterbutterten. Sie hatte einen Hang zum Jammern, aber dann munterte Annelie sie auf. Im Großen und Ganzen war Gabbi jedoch ein glücklicher Mensch und konnte auf etwas in Annelies Augen sehr Ungewöhnliches zurückblicken, nämlich eine glückliche Kindheit und Jugend. Gabbis Eltern waren immer sehr nett zu ihr gewesen. Auch Birgitta und Carl-Ivar hatten ihr Gutes getan. Sie hatten stets etwas Unbekümmertes gehabt, wenn es nicht gerade um ihre eigenen Kinder und vor allen Dingen um Lotta ging, dachte Annelie voller Erbitterung. Sie hatte sich nie so recht mit ihr verstanden, nicht einmal, bevor Lotta mit Magnus zusammengekommen war und ihn dann später heiratete.
Gabbi war die einzige Person aus Annelies Freundeskreis, die ihr Umfeld kannte. Gabbi hatte das immer verschwiegen. Sie verlor über Annelies Mutter nie ein Wort, es sei denn, Annelie kam selbst auf sie zu sprechen. Sie fragte gelegentlich, wie es ihr gehe, und meinte damit vermutlich: Lebt sie noch?
Dafür hat man seine Freunde, dachte Annelie, die sich auf den Abend freute. Außerdem lag Mysingsö in der richtigen Richtung. Sie steckte ihre Hand in die Jackentasche, um sich zu vergewissern, dass sie den Schlüsselbund wirklich dabeihatte, obwohl sie das eigentlich wusste.
Die Schlüssel hatte sie durch Zufall gefunden. Oder hatte sie ausnahmsweise einfach nur Glück gehabt?
Der rote zusammengeknüllte Zettel gehörte in die andere Kategorie. Zu den Unannehmlichkeiten. Aber auch die waren für sie nichts Neues. Manchmal bezeichnete sie sich selbst als abgehärtet. Sie hatte als Kind einiges ertragen, und sie ertrug immer noch so manches. Vermutlich hatte sie ihn deswegen nicht verlassen. Noch nicht. Und weil sie tief in ihrem Innern Angst hatte.
Wovor eigentlich?
Im Grunde genommen wusste sie es. Angst vor Veränderung. Sie wünschte sich, dass alles wieder so wurde wie früher, als ihr
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