Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
aus Konya verkauft und wollte ihn in Packpapier wickeln. Da stieß sie zufällig mit dem Rücken an die Kamelsatteltasche, und sie fiel zu Boden. Es klirrte leise. Also musste sie einen Gegenstand aus Metall enthalten.
Sie ließ die Tasche liegen. Nachdem der Kunde gegangen war, hob sie sie auf und griff hinein. Ganz unten in der Tasche lag ein Schlüsselbund mit drei Schlüsseln. Sonst nichts.
Annelie zerbrach sich den Kopf darüber, zu welchen Schlössern diese Schlüssel wohl passten. Die Polizisten, die das Geschäft auf Hinweise durchsucht hatten, warum Carl-Ivar ermordet worden sein könnte, waren ebenso wenig wie sie selbst auf die Idee gekommen, dort nachzusehen.
Einen der Schlüssel meinte sie sofort wiederzuerkennen. Der Schaft hatte eine ungewöhnliche rechteckige Form, ein Schlüsseltyp, der ihr sehr vertraut war. Sie besaß sogar selbst so einen. Er hing an einem Haken hinter ihrer Küchentür. Für den Notfall. Dass Carl-Ivar auch einen Zweitschlüssel besessen hatte, war eigentlich nicht weiter verwunderlich.
Aber wozu passten die anderen beiden Schlüssel? Zu einem Speicher oder einem Keller? Sie hatte diese Schlüssel noch nie gesehen.
Es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste sie ausprobieren!
Sie näherte sich dem Kreisverkehr am Bahnhof und sah links den Kai der Gotland-Fähre liegen. Am Bahnhof, der wie die Bahnsteige verlassen dalag, bog sie links ab. Züge fuhren hier schon seit Jahren nicht mehr, ein weiteres Indiz dafür, dass der Ort immer mehr in Vergessenheit geriet. Bedauerlich, dachte sie. Dann nahm sie die Verkstadsgatan am Gotlandsterminal vorbei, kreuzte die Gröndalsgatan und erreichte das Stadtviertel Gröndal mit seinen schönen Holzhäusern auf Granitfundamenten in schattigen Gärten.
Als sie erst in die Nitaregatan und schließlich in die Filaregatan einbog, änderte sich die Architektur. Ein Stück weiter lag die alte Werft mit ihren hohen Kränen und großen, düsteren Werkstatthallen mit Blechdächern. Früher hatten hier überwiegend Hafen- und Werftarbeiter gewohnt. Jetzt war es anders.
Die Filaregatan war sehr kurz. Ein aufblasbares Planschbecken stand verschmutzt und halb in sich zusammengesunken auf einer Wiese, die noch nicht wieder grün war. Plötzlich türmten sich dunkle Wolken im Norden auf und verstärkten die düstere Stimmung.
So war es nun einmal. Annelie wurde immer schwermütig, wenn sie hierher kam. Sie hasste und liebte diesen Ort zugleich. Heruntergekommen und grau, aber doch ihr Zuhause. Jedenfalls war es das einmal gewesen. Sie konnte immer noch die Geborgenheit spüren, die sich trotz allem einstellte, wenn sich die Haustür hinter ihr schloss, auch wenn das absurd war. Die Mauern schützten vor Wind und Wetter, die gluckernden Heizkörper gaben Wärme ab.
Wenn ihr nur die hysterische Unruhe erspart geblieben wäre, in welcher Verfassung sie wohl ihre Mutter vorfinden würde, wenn sie von der Schule nach Hause kam. Manchmal hatte sie auch Herrenbesuch und ließ Annelie nicht in die Wohnung, während sie »das« für eine kleinere Geldsumme oder eine Flasche Schnaps taten.
Manchmal brachte ihre Mutter sogar so etwas wie eine warme Mahlzeit zustande: gebratene Fleischwurst und Mackaroni in einem Meer aus Ketchup. Das war dann ein Fest. Aber oft hatte sie keine Kraft. Oder kein Geld. Jedenfalls nicht für Lebensmittel.
Annelie wusste, wie man Eier kocht, ehe sie lesen konnte. Später interessierte sie sich dann nie sehr fürs Kochen. Während ihrer gesamten Schulzeit war sie dankbar dafür, dass in der Schule Mittagessen ausgegeben wurden, und zum Erstaunen ihrer Klassenkameraden verspeiste sie jeden Tag eine große Portion. Sie war der Meinung, dass die Leute, die über das Essen klagten, Idioten waren.
»Ein wahres Elend«, hörte sie einmal zufällig einen ihrer Lehrer sagen. Sie schämte sich dafür in Grund und Boden, obwohl der Lehrer nett war.
Sie roch schlecht, ohne es selbst zu merken. Wenn sie daran dachte, dass sie gestunken hatte, und das vielleicht schon als Baby, wurde sie heute noch rot. Sie hatte nicht nur nach Zigaretten und Essen gerochen, sondern auch nach ungewaschenen Kleidern, die selten gewechselt wurden und oft zu klein waren. Als Kind nicht gut zu riechen war unverzeihlich.
Erst als sie älter wurde, verstand sie das und duschte regelmäßig.
Sie vermied es, direkt vor dem Haus zu parken. Sie entdeckte eine Lücke auf der anderen Straßenseite, parkte ein und hoffte, dass das Auto dort weniger auffiel.
Der graue
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