Lust auf Lust: Intime Geständnisse
kommen. »Und … frühstückst du gerne?« Genau, Rens. Genau so eine Bemerkung.
Ich lache. »Und, was sollen wir machen?«
»Na ja, wir könnten Motten in einer Papiertüte züchten und damit groß rauskommen. Weißt du, wie schön Motten sind?«
»Und ob!« Aus reiner Zustimmung und frohem Erstaunen haue ich ihm kräftig auf die Schulter. Er verschüttet sein Bier über mich, aber ich lasse mir diesen prachtvollen Augenblick durch nichts vermiesen. »Und ob! Das hab ich schon immer gesagt! Warum finden alle Schmetterlinge immer so schön und Motten eklig und hässlich? Ich find das so was von unfair. Motten sind wunderbar, wirklich unheimlich schön.«
Er guckt mich lächelnd an. »Meinst du das im Ernst?«
»Ja«, sage ich leise.
»Ich auch, weißt du.« Und dann küsst er mich.
Mit wachsender Verzweiflung blicke ich auf den unglaublichen Berg Essen vor mir. Es ist nun wirklich deutlich, dass Essenmachen für ihn Beschäftigungstherapie war. Und ich nehme es ihm nicht übel. Die peinlichen Schweigepausen hängen wie große Gewitterwolken über unsern Köpfen. Warum eigentlich? Gestern haben wir endlos gequatscht. Gestern haben wir noch viel mehr gemacht. Aber jetzt. Jetzt ist es kalt, mein Kopf macht nicht mehr mit, ich habe einen Kater, ich will nach Hause, habe zu wenig geschlafen und weiß es einfach nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, was ich mit ihm soll.
Aufgedreht gehen wir zu unseren Freunden. »Tschüss, liebe Leute, ich geh jetzt weg, ich hab einen Mottenmann gefunden. Ja, das kapiert ihr morgen, wenn ich euch anrufe, Küsschen, Küsschen, Leute.«
»Tschüss Kumpels, ich geh nach Hause.« Zum Glück brechen seine Freunde ihr Gejohle auf sein Zeichen hin schnell ab. Schwankend setze ich mich bei ihm auf den Gepäckträger. Ich lege die Hände um seine Hüften und kneife ihn da ab und zu verspielt rein. Ich plappere immer noch weiter. Er lacht und geht elegant auf meine Ausführungen über verkannte Tierarten ein.
Ungelenk zwänge ich mich in mein enges, wirklich unglaublich stinkendes Top. Ich bin froh, dass er gerade unter der Dusche ist. Es wäre natürlich nicht so gut, wenn er sehen könnte, wie ich mich umziehe. Als ich wieder aus dem Zimmer komme, steht er da, in einem Bademantel. »Also dann, tschüss«, sage ich.
»Ja, tschüss«, sagt er. Und begleitet mich zur Tür. Einen Moment lang zögern wir. Telefonnummern? sehe ich uns denken. Ja, warum eigentlich nicht. Rasch werden ein paar Zahlen in vollkommen willkürlicher Reihenfolge hingekritzelt. Wir stecken die kleinen, zerknitterten Zettel schnell ein. Ich sehe ihn an. »Also, dann tschüss«, sag ich.
»Ja, tschüss«, sagt er.
Ich gebe ihm die drei üblichen Küsschen. Und dann bin ich weg. Vielleicht sehe ich ihn nächste Woche wieder. Ich weiß genau, dass es dann wieder lustig wird.
All I want for X-Mas
G edankenlos stecke ich mir meinen Stift in den Mund. Ich fange an, ein bisschen darauf herumzukauen, wodurch er einen leicht ekligen Geschmack abgibt. Ich starre auf meinen Kalender. Die Felder für die kommenden Tage sind gähnend leer. Ich werfe meinen Stift weg und greife zum Telefon. »Hi, Renske hier. Du, ich wollt dich mal was fragen, wegen Weihnachten. Was hältst du von einer ausgeflippten Party mit rotem Sekt und Abendklei …? Oh … natürlich, mit Thijs. Am Ersten bei deinen Eltern. Und am Zweiten natürlich bei seinen. Nee, klar, kein Problem, dann lass ich mir eben was anderes einfallen. Tschüss.« Meine Mutter kommt ins Zimmer. »Hallo Mama. Überraschung! Ich bin Weihnachten die ganze Zeit zu Hause.«
Ich stelle den Fernseher an. Sofort dröhnen die Synthesizer-Beats von Wham ins Zimmer. Trübselig starre ich auf den Clip im Fernsehen, in dem Jungs mit Pudelfrisuren lachend kichernde Mädchen mit dicken Schneebällen bewerfen. Der offene Kamin, die rosigen Gesichter, gemeinsam den Christbaum schmücken, der vielversprechende, schüchterne Blickkontakt: Alles absichtlich konstruiert, um mir meinen Mangel schonungslos vor Augen zu führen. Denn bald ist Weihnachten. Und ich habe keinen Freund.
Ich habe keinen Freund. Und das finde ich schlimm. Sehr schlimm. Die Welt schlägt mir die Liebe um die Ohren. Überall um mich herum sehe ich junges oder schon etwas reiferes Glück. Überall auf den Straßen sehe ich eng umschlungene Pärchen, die sich mit glänzenden Winteraugen liebevoll anlächeln. Sie kaufen Geschenke und löffeln gemeinsam Suppe. Die Parks quellen über von roten Wangen und blauen Nasen,
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