Lust auf Lust: Intime Geständnisse
eigentlich nicht dafür sorgen müssen. Es sollte eigentlich einfach so da sein. Ich merkte, dass er einfach nur kapituliert hatte. Und: Ich begriff, dass ich bei meiner ganzen Guerillataktik vergessen hatte, worum es eigentlich ging. Ich war nicht mehr verliebt. Ich hatte meinen Hauptpreis gewonnen, und jetzt wollte ich nichts mehr damit. Also rief ich ihn an. »Um vier im ›Herzchen‹?«
One-Night-Stand
I ch untersuche mein Gesicht aus allernächster Nähe im Spiegel. Das ist natürlich blöd. So etwas darf man nie machen. Und bestimmt nicht in so einem Moment. Ich spritze mir beherzt etwas kaltes Wasser ins Gesicht, das jetzt halt aussieht wie ein verwelktes Gesicht mit ein paar Tropfen kaltem Wasser darauf. Ich schlucke mit Mühe und halte meinen Kopf unter den Hahn. Gierig schlürfe ich literweise kaltes Wasser in mich hinein. Es tut weh, tut aber auch irgendwie gut. Ich rieche an dem T-Shirt, das ich gefunden habe. Es stinkt. Ich rieche an meinen Haaren. Die stinken auch. Nach Rauch und Zigarette und Menschen und Schweiß und Dreck. Ich werfe noch einen Blick in den Spiegel. Und mit DEM Kopf soll ich gleich jemandem gegenübertreten, den ich erst einmal gesehen hab? Ich setze mich aufs Klo. Wie spät es wohl ist? Bestimmt noch ziemlich früh. Ich pinkele. Ich finde es immer blöd, auf einem fremden Klo zu pinkeln. Ich will spülen, aber irgendwie funktioniert das Ding nicht. In einem Anfall von Vorpanik hämmere ich auf das Ding ein. Als sich dann noch immer nichts tut, gestatte ich mir echte Panik. Wild zerre ich an jedem hervorstehenden Ding, das ich entdecken kann, bis mir klar wird, dass ich dabei auch die eine oder andere Wasserleitung herausziehen könnte. Ich lasse es und fange an, völlig verzweifelt mit den Händen Wasser in die Kloschüssel zu schöpfen. Endlich spült es weg. Auf Zehenspitzen schleiche ich wieder zu seinem Zimmer.
Ich stehe in der Disco. Lächelnd gebe ich meinem Begleiter zu verstehen, dass ich kurz mal zur Toilette muss. In dem dampfenden Raum sehe ich mich im Spiegel. Mit einem nassen Finger streiche ich den Lidstrich weg, der unter meinem Auge zerlaufen ist. Die Musik wummert leise durch den ziemlich vernebelten Raum. Links und rechts von mir stehen Mädchen und schminken sich. Ich lasse etwas Wasser über meine Handgelenke laufen und ziehe meinen Pulli gerade. Jetzt geht’s wieder. Als ich aus der Toilette komme, steht er da.
Ich klopfe leise an seine Tür. Ich höre ein unbestimmtes Geräusch. Woher soll ich jetzt verdammt noch mal wissen, ob ich auch das richtige Zimmer erwischt habe? Egal, ich riskier’s einfach, bin doch schließlich ein cooles Mädchen, und gehe rein. Die Vorhänge sind zugezogen, in der Luft hängt ein penetranter Geruch. Der Geruch von Körperflüssigkeiten und abgestandenem Bier. Auf dem Boden liegen Klamotten. Auch die von mir. Im Bett liegt ein Typ. Ein sympathischer Wuschelkopf kommt unter der Decke zum Vorschein. Da ist wieder dieses unbestimmte Geräusch.
»Hi«, sage ich. »Bin wieder da.«
Der Kopf lacht, ein bisschen verlegen. »Du bist schon auf.« Scharf beobachtet. »Willst du Frühstück?«, fragt der Kopf.
Mein ganzer Körper rebelliert gegen diese widerliche, ekelhafte, obszöne Vorstellung. Die Vorstellung, Essen in dieses leere Fass voller Magensäure und Elend zu werfen, ist genauso schrecklich wie Menschen, die sich in aller Öffentlichkeit die Fußnägel abbeißen - und die gibt es. »Okay. Frühstück.«
»Hallo«, sagt der Typ. Ich streiche mir das Haar aus dem Gesicht und sage auch Hallo. »Heiß, oder? Hast du Lust auf ein Bier?« Höfliche Frage. Und es ist heiß. Und er sieht zivilisiert aus, ich kann weder ein psychopathisches Grinsen noch ein Buchhaltersakko entdecken. »Okay. Ein Bier.«
»Wie ich sehe, hast du ein T-Shirt von mir gefunden.« Er steht an der Spüle und ist anscheinend mit allerhand Sachen beschäftigt. Was für Sachen? Was weiß ich, Sachen halt. Hab auch keine Ahnung. Er macht viel Krach. So viel, dass man beinahe meinen könnte, er will lieber nicht mit mir reden. Ich blicke an mir hinunter. Das T-Shirt stinkt. »Ja, tut mir leid. Ich wollte nicht gleich wieder in meine Party-Montur rein. Die ist, äh … ein bisschen eng. Und schmuddelig.«
»Ach so.« Bis jetzt läuft’s ja sehr gut. Es ist still. Es bleibt still. Es ist nun doch sicher schon fünf Minuten lang still. Zu lange still, um mit einer 08/15-Bemerkung die Stille zu durchbrechen. Jetzt muss echt was Geistreiches
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