Lust de LYX - Gesandter der Sinne (German Edition)
und Töten konzentriert, dass du die Kraft übersehen hast, die in deinen Fingerspitzen gebündelt ist.«
Was meinte er damit? »Aber wie hast du –«
Malik umkreiste ihn von Neuem. »Ich war früher selbst ein sahad , nicht anders als du. Ich habe die Magie, die mir geblieben war, weiterentwickelt. Und ich lernte, gewisse Dinge vor meinem Umfeld zu verbergen.«
Seine Herkunft. Malik verbarg, wer er war, damit die Ghule, denen er diente, nicht herausfanden, dass er dem Stamm der Marid angehörte. Nasir erinnerte sich an gewisse Geschichten, die er nach seiner Versklavung gehört hatte, über den mu’allim , der die sahad ausbildete. Er war schon seit Ewigkeiten hier, hatte als Gladiator begonnen und sich schließlich zu dem angesehenen Status eines mu’allim hochgearbeitet. War es wirklich denkbar, dass die Hochgeborenen, die derzeit in Jahannam herrschten, nicht wussten, dass Malik ein Marid war?
»Um deine Frage zu beantworten«, fuhr Malik fort, » jarriah ist ein Ghul-Wort, das übersetzt Konkubine bedeutet.«
Nasirs Neugier in Bezug auf seinen Trainer verpuffte schlagartig. Die Frau in seiner Zelle war eine Sexdienerin? Er wusste, dass sich die Ghule solche Sklaven hielten – ja, sogar sein Bruder Tariq war in diese Rolle gezwungen worden –, aber die Vorstellung, dass das rothaarige Mädchen eine Konkubine sein sollte, war noch absurder als die, dass Malik ein Marid war. »Aber wie …? Warum …?« Nasir schüttelte den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. »Sie trägt nicht das Zeichen der Sklaven.«
»Nein«, bestätigte Malik. »Weil sie zuerst noch ihren Test bestehen muss.«
»Was denn für einen Test?«
Malik blieb vor ihm stehen. »Mädchen, die gerade erst die Volljährigkeit erreicht haben, treten als Jungfrauen in den Harem ein. Doch bevor sie vollen Zugang zum Luxus ihres Gebieters erlangen, müssen sie ihren Wert unter Beweis stellen. Darum wird jede für eine Nacht in die Kerker geschickt. Falls sie überlebt, kehrt sie in dem Wissen in den Harem zurück, dass es im Leben weitaus Schlimmeres gibt, als dem sexuellen Vergnügen eines – oder vieler –Hochgeborener zu dienen. Sollte sie die Begegnung nicht überleben … nun, dann wird sie als unwürdig erachtet, und man verscharrt ihren Leichnam ohne Bestattungsritus.«
Nasir kam die Galle hoch. Selbst die Ghule hatten festgeschriebene Beerdigungszeremonien, um sicherzustellen, dass ein Verstorbener ins Jenseits hinübergleiten konnte. Um dieses Ritual betrogen zu werden, war – unter allen Stämmen – eine Strafe, die ausschließlich dem übelsten Abschaum vorbehalten war. Doch Nasirs Erkenntnis, wie gering man das Leben der Frau schätzte, wurde sofort überlagert von dem Begreifen, welche Rolle er in diesem kranken Szenario spielen sollte.
Er schluckte schwer. »Also hat man sie zu mir geschickt, um …«
»Sich ihrer Prüfung zu unterziehen. Ja. Aber du musst erst noch kooperieren. Darum ist sie noch immer hier.«
Kooperieren . Eine zivilisierte Metapher dafür, dass er sie vergewaltigen sollte. Übelkeit kreiste in Nasirs Magengrube, während er auf den Sand unter seinen Füßen starrte. Er wusste, dass die Hochgeborenen niederträchtig waren, aber das hier … eine der ihren auf diese Weise zu schänden, sie in die Kerker zu einem sahad zu sperren, der seit Monaten keine Frau mehr berührt, gerochen oder geschmeckt hatte, nur um sie unterwürfig zu machen …
»Warum ich?«
»Das ist eine Frage, die nur ein Hochgeborener beantworten kann«, antwortete Malik und nahm sein Umkreisen wieder auf. »Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass sie dich, einen Champion, nicht schon früher benutzt haben. Doch die eigentliche Frage lautet nicht, warum, sondern, was du zu tun gedenkst.«
Ja, was gedachte er zu tun? Malik klang, als erkundigte er sich, was Nasir wegen eines zerbrochenen Schwerts unternehmen wollte. Dabei sprachen sie verdammt noch mal von einem lebendigen Wesen. Die Frau war ein Dschinn, genau wie sie, Rasse hin oder her.
Nasir wischte sich über die Stirn, auf der plötzlich der Schweiß stand. Was würde er tun? Er würde sie jedenfalls nicht vergewaltigen, so viel stand fest. Er hatte nicht die Absicht, irgendetwas von dem zu tun, was die Hochgeborenen von ihm erwarteten. Wenn sie ihn für aufsässig hielten, weil er noch immer am Leben war, dann hatten sie ihn noch nicht kennengelernt. Auf gar keinen Fall würde er das arme Mädchen anfassen.
»Eine jarriah hat nur eine einzige Chance,
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