Lust kennt kein Tabu
keine Ahnung, was Wendell meinte, zuckte sie die Achseln. Dann versuchte sie, ihm mit einem subtilen Blick klarzumachen, er solle den Mund halten.
„Diese Sache belastet mich, seit ich herausgefunden habe, dass du mit Zienna zusammen bist“, begann Wendell.
Merkt er denn nicht, was ich ihm suggerieren will? Oder ist es ihm egal? Warum tut er mir das an?
„Nun interessiert’s mich wirklich“, sagte Nicholas.
„Eigentlich dachte ich, Zienna hätte dich inzwischen informiert.“ Wendell beugte sich vor. „Dazu war sie offenbar nicht bereit.“
Am liebsten wäre sie über den Tisch gesprungen und hätte ihm die Augen ausgekratzt. Was trieb ihn zu diesem ungeheuerlichen Verhalten? Ihre Gedanken überschlugen sich.
„Spannt mich nicht noch länger auf die Folter“, bat Nicholas ihn.
„Was tust du, Wendell?“, fauchte Zienna.
„Wir müssen es ihm sagen.“
Schweren Herzens erkannte sie, dass sie ihn nicht umstimmen konnte. Und jeder Versuch wäre ohnehin sinnlos, weil Nicholas bald zwei und zweizusammenzählen würde.
Bevor Wendell weitersprach, räusperte er sich. „Vor einigen Jahren, als Zienna meine Therapeutin war, da … hatten wir was miteinander.“
Sekundenlang reagierte Nicholas nicht, dann verschwand sein Grinsen. „Was?“
„Das ist schon lange her“, fuhr Wendell fort. „Und offensichtlich bedeutet es jetzt nichts mehr. Aber bei unserem Dinner spürte ich eine etwas angespannte Atmosphäre – zweifellos wegen dieses Geheimnisses. Und weil ich dein neues Restaurant leiten werde, möchte ich reinen Tisch machen – und danach die Vergangenheit begraben.“
Ziennas Wangen brannten wie Feuer.
„Irgendwann kommt so was immer raus“, erklärte Wendell, „und je länger wir schweigen würden, desto verdächtiger könnte es wirken.“
„Allerdings“, bestätigte Nicholas. Was er empfand, verriet der Klang seiner Stimme nicht.
„Was Ernstes war es nicht. Etwa sechs Monate lang hatten Zienna und ich eine On-Off-Beziehung.“
Was Ernstes war es nicht … Als sie diese Worte hörte, musste sie sich mühsam beherrschen, um Wendell nicht zu ohrfeigen. So verrückt war sie nach ihm gewesen. Und für ihn hatte es nichts bedeutet. Welch eine schmerzliche Erkenntnis …
Doch so schrecklich weh dürfte es gar nicht tun.
„Und Pam?“ Verwirrt hob Nicholas die Brauen. „Damals, zum Zeitpunkt deiner Schulterverletzung, warst du mit Pam zusammen.“
„Klar, das ist nicht richtig gewesen.“ Wendell schaute Zienna an. „Schon seit dem College hatte ich eine Beziehung mit Pam“, betonte er, als würde das seinen Betrug verständlich machen. „Wie soll ich mich rechtfertigen? Die Versuchung war einfach zu groß.“
Da brach Zienna in spöttisches Gelächter aus. Entschlossen riss sie ihren Blick von ihm los.
„Wow“, seufzte Nicholas, und sie sah ihn ungläubig den Kopf schütteln.
„Ich war einfach nur ein Betthäschen“, sagte sie honigsüß. „Kein Grund zur Sorge.“
In diesem Moment erschien Ghita mit der Rechnung und legte sie – offenbar, weil sie die Anspannung wahrnahm – wortlos auf den Tisch. Sofort ging sie wieder davon.
„Wie gesagt, es war bedeutungslos – und es ist längst vorbei“, wandte Wendell sich an Nicholas. „Aber da du mein Freund bist, wollte ich keine Geheimnisse vor dir haben.“
Nun verstrichen einige Sekunden. Die düstere Stimmung am Tisch wurde vom fröhlichen Lachen anderer Gäste noch verstärkt. Plötzlich neigte Nicholas sich näher zu Zienna. „Wie ernst war die Beziehung für dich, Zee?“
„Was?“
„Soeben hat Wendell versichert, es sei unbedeutend gewesen. Sein Herz hat natürlich Pam gehört. Was er getan hat, billige ich nicht. Das wusste er. Deshalb hat er mir damals nie von dir erzählt.“ Nach einer kurzen Pause fragte Nicholas: „Aber wie war es für dich?“
Obwohl in ihren Ohren das Blut rauschte, zwang sie sich, ihn möglichst gleichmütig anzuschauen. „Was Wendell gesagt hat, weiß du ja. NichtsErnstes.“
„Warum hast du mir nichts davon erzählt? Gestern Abend, bei mir zu Hause?“ In seiner Stimme schwang ein skeptischer Unterton mit.
Zienna öffnete den Mund. Doch wie eine zu Unrecht beschuldigte Angeklagte im Zeugenstand fühlte sie sich desorientiert und leicht benommen. Was sie sagen sollte, wusste sie nicht.
Schließlich erwiderte sie: „Darüber will ich nicht reden. Nicht hier, nicht jetzt. Und nun möchte ich gehen.“ Dann wandte sie sich zu Wendell. „Was hast du dir dabei gedacht? Aus
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