Lust kennt kein Tabu
lass uns reden.
Sie machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten.
Während sich das Taxi vom Café Tagine entfernte, warf sie einen letzten Blick durch das Rückfenster. Nicholas und Wendell standen immer noch am Straßenrand.
Was mochten die beiden besprechen?
Aus einem plötzlichen Impuls heraus beugte sie sich zum Fahrer vor. „Ich hab’s mir anders überlegt. Bringen Sie mich zur Near North Side, Kingsbury.“
An diesem Morgen hatte Alexis ihr empfohlen, Nicholas möglichst bald die Wahrheit zu erzählen. Und jetzt war Zienna nicht in der Stimmung, um sich anzuhören: Ich hab’s dir ja gesagt.
Sie wollte einfach nur allein sein.
Sie legte den Kopf an die Rückenlehne und schloss die Augen. Warum hatte Wendell nicht den Mund gehalten? Wieso hatte er Nicholas über die Vergangenheit informiert, ohne ihr vorher zu sagen, dass er das plante? Was führte er im Schilde?
Und da ging ihr ein sonderbarer Gedanke durch den Sinn – ein absolut lächerlicher Gedanke.
Wollte er Nicholas etwa veranlassen, mit ihr Schluss zu machen?
7. KAPITEL
Als es mehrmals an der Haustür läutete, zuckte Zienna in ihrem Bett zusammen. Sie war eben erst eingeschlafen, und der Lärm hatte sie unsanft geweckt.
Blinzelnd hob sie den Kopf und schaute auf die Uhr. Einundzwanzig Minuten nach zwei.
Oh Gott, dachte sie und sank ins Kissen zurück. Das musste Nicholas sein.
Seit sie vor dem Restaurant ins Taxi gestiegen war, hatte er sie immer wieder angerufen und ihr mindestens sechs SMS geschickt. Darauf hatte sie nicht reagiert und das Handy schließlich ausgeschaltet.
Sie war nicht bereit, mit ihm über Wendell zu sprechen.
Jetzt läutete es wieder. Aber sie stand nicht auf.
Wenn sie ehrlich sein wollte, musste sie sich den wichtigsten Grund eingestehen, der sie daran hinderte, mit Nicholas zu reden. Dieses Gespräch würde erfordern, dass sie die ganze Wahrheit sagte. Und sie würde ihm niemals verraten, dass ihre Gefühle für Wendell viel intensiver gewesen waren.
Das Wiedersehen mit Wendell hatte Zienna aufgewühlt. Und gleichgültig, was sie behaupten mochte – Nicholas war klug genug, um die Wahrheit herauszufinden. Dann würde er seinen Freund für eine Bedrohung halten.
Vor einiger Zeit hatte ihm eine treulose Ex das Herz gebrochen. Deshalb hatte er eine Weile gebraucht, um Zienna zu vertrauen. Damit war sie zurechtgekommen, denn sie kannte die Nachwirkungen einer solchen Enttäuschung nur zu gut. Schließlich hatte sie ihn von ihrer Treue und Aufrichtigkeit überzeugt, und ihre Beziehung war nahezu perfekt gewesen.
Doch jetzt gefährdete Wendell dieses Glück.
Es läutete wieder an der Haustür. Offenbar würde Nicholas nicht fortgehen. Zienna drehte sich auf die andere Seite. Sollte sie ihn ignorieren? Wenn sie bloß wüsste, was er dachte und fühlte … Bereute er sein Verhalten nach Wendells Enthüllungen? Oder glaubte er immer noch, sie hätte ihn betrogen? Das würde sie nicht ertragen.
Wie auch immer – jetzt, so spät in der Nacht, war sie zu müde für eine weitere Diskussion. Am allerwenigsten wollte sie über Wendell reden, nachdem er so gleichmütig verkündet hatte, sie habe ihm gar nichts bedeutet. Offenbar war sie nur gut fürs Vögeln gewesen.
Zienna schaute wieder auf ihre Uhr. Siebenundzwanzig nach zwei. Seit einer Weile läutete es nicht mehr an der Haustür. Wahrscheinlich warNicholas endlich verschwunden. Sehr gut … Sie seufzte erleichtert und kuschelte sich in ihre Decke.
Zehn Sekunden später begann es zu klopfen. Resignierend stieg sie aus dem Bett, schlüpfte in einen Morgenmantel und ging zur Wohnungstür. Allem Anschein nach würde Nicholas nicht weggehen, bevor sie mit ihm geredet hatte.
Sie spähte durch den Spion. Da stand er, die Stirn mürrisch gefurcht, und Zienna musste lächeln. Plötzlich freute sie sich über seinen Besuch. Würde er ihr irgendwas verübeln, wäre er nicht hier. Offensichtlich hatte er, ebenso wie sie, wegen des Zerwürfnisses keinen Schlaf gefunden.
Trotzdem öffnete sie die Tür nicht sofort und ließ ihn noch ein bisschen schmoren. Er hatte sie tief verletzt. So leicht würde sie ihm das nicht verzeihen.
„Wie bist du hereingekommen?“, rief sie durch die Tür.
„Ich bin jemandem gefolgt, der ins Haus gegangen ist.“
„Was willst du?“
„Lässt du mich nicht rein?“
„Warum sollte ich?“
„Es tut mir so leid, wie ich mich benommen habe. Ich war einfach schockiert. Aber dann habe ich mit Wendell gesprochen. Nun ist alles
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