Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
die Arme vor seinem
Körper zusammen. Und erst jetzt wurde auch Magdalena bewusst, dass sie vor Kälte
zitterte. Es war Ende Februar, und hier draußen blies, bei Temperaturen unter
Null Grad, ein eisiger Wind.
„Also gut. Ich muss nur mal
schnell eine SMS schreiben.“ Sie zog ihr Smartphone aus der Jackentasche und
tippte mit flinken Fingern eine Nachricht an Raffael: Wird heute später, komme
in ungefähr zwei Stunden.
Seite an Seite machten sich
Magdalena und Adrian auf den Weg, gingen am Neuen Theater vorbei, über die
Kanalbrücke, und dann durch die Wallanlagen immer in Richtung Innenstadt.
Zunächst schwiegen sie beide, weil sie nicht so recht wussten, wie sie das
Gespräch beginnen sollten. Schließlich aber meldete sich Adrian zu Wort: „Tut
mir leid, das heute mit der Ravensburger.“
„Echt?“, erwiderte Magdalena
säuerlich. „Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass ihr euch alle köstlich darüber
amüsiert habt.“
„Quatsch, ich glaube, die waren
alle nur so irritiert darüber, wie sich die Ravensburger verhalten hat. Ich
meine, das war ja nun wirklich voll krass. Keine Ahnung, warum die auf einmal
so blöd zu dir war. Ich meine, die war doch sonst nicht so.“
Magdalena zuckte mit den
Schultern. „Ja, irgendwas muss da gewesen sein. Aber ich weiß absolut nicht,
was ich falsch gemacht habe. Und meine Klausur ...“
Adrian unterbrach sie mit einer
Handbewegung. „Geschenkt“, sagte er. „Ich weiß zwar nicht, warum sie dir eine
Vier gegeben hat, bin mir aber sicher, dass du wie immer eine klasse Leistung
abgeliefert hast.“
Magdalena sah ihn irritiert von
der Seite an. Was war denn auf einmal mit dem los? Nicht, dass er jemals blöd
zu ihr gewesen wäre. Nein, vielmehr hatten sie noch nie wirklich miteinander
gesprochen. Wie alle anderen hatte auch er sie immer ignoriert. Was also trieb
ihn dazu, ihr jetzt solche Nettigkeiten zu sagen und mit ihr einen Kaffee
trinken zu gehen? Verstohlen musterte sie ihn. Er sah eigentlich ganz nett aus.
Ein markantes, recht hübsches Gesicht, in dem zwei dunkelbraune Augen einen
interessanten Kontrast zu seinem strohblonden Haar bildeten. Ja, Adrian war ein
attraktiver junger Mann, das war ihr bisher noch gar nicht aufgefallen.
„Ich kann dir die Klausur gleich
mal zeigen, wenn sie dich interessiert“, sagte sie in die entstandene Stille
hinein.
„Ja, ich würde sie gerne mal
lesen“, nickte Adrian. „Ich hab nämlich auch eine Vier, und da können wir die
beiden mal vergleichen.“ Auf seinem Gesicht zeigte sich ein verschmitztes
Grinsen. „Nur, im Gegensatz zu dir, bin ich ganz froh, dass ich überhaupt noch
im grünen Bereich bin. Hatte den Faust nämlich gar nicht ganz gelesen, war mir
irgendwie zu öde. Hab dann einfach ein bisschen rumgeschwallt.“
Magdalena nickte nur, erwiderte
aber nichts. Nur rumgeschwallt. Das Buch nicht ganz zu lesen, hätte sie sich
niemals getraut. Gott sei Dank hatten sie die Klausur geschrieben, bevor sie
Raffael kennen gelernt hatte. So hatte sie unendlich viel Zeit im Internet recherchiert
und alles über Faust in Erfahrung gebracht, was nur möglich war. Und das war
eine ganze Menge. Hm, dachte sie bei sich, sie hatte keine Ahnung, wie es in
Zukunft weitergehen sollte. Sie würde nachts arbeiten müssen, wenn sie sich
weiterhin mit Raffael traf. Schließlich würde sie in rund sechs Wochen ihre
schriftlichen Abiturprüfungen haben. Da konnte sie sich keinen Schlendrian
erlauben.
Am Emder Neuen Markt
eingetroffen, setzten sich Magdalena und Adrian in eine Kneipe. Magdalena schaute
sich interessiert um, sie war noch nie hier gewesen. „Ich bin zum ersten Mal
hier“, sagte sie dann auch. „Warst du hier schon öfter?“
Adrian sah sie perplex an. „Ob
ich hier schon öfter war? Hm. Ich würde sagen, praktisch täglich. Immer, wenn
ich mit Mareike und Renke den Unterricht schwänze.“ In diesem Moment kam die
junge Kellnerin, sie bestellten zwei Tassen Capuccino.
„Ihr schwänzt?“ Magdalena sah ihn
an wie eine Erscheinung.
„Sicher.“ Adrian runzelte die
Stirn und betrachtete das junge Mädchen, das ihm gegenüber nervös auf dem Stuhl
hin und her rutschte, aufmerksam. Schon immer hatte er Magdalena auf
verstörende Weise attraktiv gefunden. Diese junge Frau war so widersprüchlich,
dass sie eigentlich nicht in ein und denselben Menschen hineinpasste. Sie war
sicherlich mit Abstand die hübscheste Frau der ganzen Oberstufe. Lange dunkle
Locken, große braune Augen, eine Haut wie Elfenbein, eine
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