Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
schmiss sich mit einem Satz in Adrians
Arme, der ihr daraufhin sanft den Rücken streichelte.
„Du hast Angst um sie, oder?“
Magdalena nickte stumm, während
sie sich aus der Umarmung löste. „Er wird sie ... oh mein Gott ... er wird
völlig ausgerastet sein!“
Adrian bückte sich, sammelte ein
paar Steine ein und warf sie dann einen nach dem anderen mit so viel Schwung
ins Wasser, dass man kaum noch sehen konnte, wo genau sie landeten. „Deine
Mutter muss da selber durch“, sagte er dann vorsichtig, „sie kann sich nur alleine
helfen.“
„Gerade hast du noch gesagt, ich
solle sie anrufen.“ Magdalena ließ sich zu Boden sinken und vergrub ihre Füße
im warmen Sand.
„Nein, Lena, das musst du nicht.
War eine blöde Idee von mir.“ Er machte eine längere Pause, in der er sich
neben ihr niederließ, und fuhr dann fort: „Deine Mutter hat sich jahrelang, ja,
jahrzehntelang von deinem Vater demütigen und unterdrücken lassen. Und nicht
nur das. Sie hat auch zugelassen, dass du all die Jahre von ihm unterdrückst
wurdest. Nein, Lena, du bist ihr gegenüber zu gar nichts verpflichtet.“
„Aber sie ist meine Mutter“, rief
Magdalena.
„Dann hätte sie sich auch so
verhalten sollen“, erwiderte Adrian knapp. Er hatte in den letzten Tagen, als
Magdalena ihm viel aus ihrem Familienleben erzählt hatte, immer wieder empört
nach Luft geschnappt. Für ihn war es einfach unfassbar, mit welch einem
Haustyrannen es Magdalena und ihre Mutter all die Jahre hatten aushalten müssen.
Da war es ja kein Wunder, hatte er bei sich gedacht, dass sich das junge
Mädchen ein wenig, na ja, seltsam benommen hatte. Umso erstaunlicher fand er
es, wie sie sich in der Kürze der Zeit, seit Raffael Winters Tod, verändert
hatte. Nie im Leben hätte er angenommen, dass eine solche Verwandlung möglich
wäre. Magdalena schien eine starke Frau zu sein, deren wahres Wesen sich all
die Jahre hatte verstecken müssen, bis es sich nun Knall auf Fall ans
Tageslicht hervorgewagt hatte. Wo diese plötzliche Verwandlung allerdings enden
würde, war zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch nicht vorherzusagen. Vielleicht
lebte Magdalena zurzeit in einer Art psychischem Ausnahmezustand. Gut möglich,
dass der kaum vermeidbare Zusammenbruch zu einem späteren Zeitpunkt noch kam. Adrian
hatte eine ähnliche Geschichte mal bei entfernten Verwandten erlebt. Nach
jahrelangem Missbrauchsmartyrium hatte es für die Kinder damals so ausgesehen,
als würden sie sich nach der Verhaftung ihres Vaters sehr schnell fangen und in
der Gesellschaft Fuß fassen. Dann aber waren sie doch am Leben gescheitert, hatten
sich in Suchtkrankheiten geflüchtet und sich langwierigen Behandlungen
unterziehen müssen.
Adrian sah Magdalena eindringlich
an und sagte dann: „Du musst dich jetzt um dich selber kümmern, Lena. Überleg
mal, was in der letzten Zeit alles passiert ist! Du musst Abstand gewinnen. Und
dann siehst Du weiter.“
Als wäre ihr plötzlich kalt,
schlug Magdalena die Arme vor ihrem Körper zusammen. Minutenlang schaute sie in
Gedanken versunken aufs offene Meer hinaus. „Lass uns was essen gehen“, sagte
sie dann, stand auf und steuerte die nahe gelegene Milchbar an.
Lustlos stocherte Magdalena wenig
später in ihrem Obstsalat herum. Ihre gute Laune hatte sich bei der Erwähnung ihrer
Mutter schlagartig verflüchtigt. Das ganze Wochenende über hatte sie versucht
so zu tun, als wäre nichts vorgefallen. Es würde sich schon alles von selbst
lösen, hatte sie sich eingeredet. Nun aber war plötzlich alles wieder da. Und
nichts hatte sich gelöst, gar nichts.
„Ich muss wissen, wie es Mama
geht“, murmelte sie vor sich hin und griff nach ihrem Handy. 144 Anrufe in Abwesenheit stand auf dem Display. Ihr Vater. Natürlich hatte er ständig
versucht sie zu erreichen. Aber sie hatte ihn ignoriert.
„Warte“, sagte Adrian und nahm
ihr behutsam das Handy aus der Hand, „was hast Du vor?“
„Ich muss Mama anrufen“, erwiderte
sie beinahe trotzig.
Adrian seufzte. „Ich kann dich ja
verstehen, Lena, aber ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist. Was ist,
wenn nicht deine Mutter, sondern dein Vater am Telefon ist? Was willst du ihm
dann sagen?“
Magdalena warf einen Blick auf
ihre Armbanduhr. „Er ist zu dieser Zeit im Bibelkreis.“
„Ohne deine Mutter?“
„Ja. Meine Mutter ist zuhause.
Sie war schon heute Morgen mit zum Bibelkreis. Mein Vater geht nach dem
Mittagessen immer zur Männerlesung, während meine Mutter den Haushalt
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