Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
Magdalena nüchtern fest.
„Eckstein? Ist das der, dessen
Mutter bei dir war und sich so unmöglich aufgeführt hat?“
„Ja, genau der. Er hat mich
damals an Raffael vermittelt.“
„Ach was!“ Adrian fiel es wie
Schuppen von den Augen. „Das ist der, der ständig auf Bens Strichliste
auftaucht! Der schwule Pfarrer! Da sieh mal einer an!“ Während er Magdalenas
Reisetasche schulterte, die er zuvor auf dem Boden abgestellt hatte, fügte er
hinzu: „Und was wollte der hier bei Ben?“
Magdalena zuckte mit den
Schultern. Das war ihr alles egal. Sie konnte nicht aufhören, an ihre Mutter zu
denken. Der Gedanke, dass sie völlig allein und hilflos an Kabel angeschlossen
im Emder Krankenhaus lag und komatös vor sich hindämmerte, ohne von irgendwem,
der sie liebte, Zuspruch zu bekommen, war die reinste Folter für sie. Den
ganzen Weg von Norderney hatte sie hemmungslos geweint und sich immer wieder
mit Adrian gestritten, der sie davon abzuhalten versuchte, direkt ins
Krankenhaus zu fahren und sich zu ihrer Mutter ans Bett zu setzen. Vielmehr, so
hatte er gesagt, müsse man nun einen klaren Kopf bewahren und sich genau
überlegen, was in dieser verfahrenen Situation zu tun sei. Auf gar keinen Fall
dürfe Magdalena ihrem Vater begegnen. Das Beste würde sein, jetzt erstmal zu
Ben zu fahren und alles in Ruhe durchzusprechen. Widerwillig hatte sie
zugestimmt. Und hier standen sie nun.
„Und wo ist Ben?“, fragte sie nun
in die dörfliche Stille hinein, die in diesem kleinen, ruhigen Ort lediglich
vom aufgeregten Balzgezwitscher der Vögel und dem entfernten Geräusch eines
Traktors durchbrochen wurde.
„Gehen wir einfach rein“,
antwortete Adrian und trat durch die schwere Haustür. „He, cool hier“, bemerkte
er gleich darauf, als er das wilde Sammelsurium der Küche wahrnahm. „Das nenne
ich mal eine gemütliche Veranstaltung!“
Auch Magdalena gefiel, was sie
hier sah, und ein schwaches Lächeln schlich sich auf ihr blasses Gesicht. In
welchem Gegensatz dieser Raum mit den bunt zusammen gewürfelten Möbeln und der
Vielzahl an Pflanzen doch zu ihrem eigenen, düsteren Zuhause stand! Alles war
so hell und freundlich, und gerade das Chaos, das hier herrschte, war es, das
Magdalenas Herz höher schlagen ließ. Viel zu lange hatte sie in steril
anmutenden Räumen leben müssen. Wie wohl sie sich hier fühlen würde! Gerade
wollte sie etwas Diesbezügliches sagen, als sie hinter sich einen spitzen Schrei
vernahm. Irritiert blickte sie sich um und sah ein etwa gleichaltriges Mädchen
in der Haustür stehen, das erschrocken die Hände vors Gesicht geschlagen hatte
und mit weit aufgerissenen Augen an die gegenüberliegende Wand starrte.
Magdalena folgte ihrem Blick, konnte jedoch außer einem großen, mit Krimskrams
übersäten Tisch nichts Außergewöhnliches entdecken. Im Gegensatz zu Adrian, der
jetzt ebenfalls einen überraschten Schrei ausstieß und sich nur Sekunden später
über irgendetwas am Boden beugte.
„Ruf einen Krankenwagen!“, rief
er dem Mädchen zu, das nach wie vor schreckensstarr an der Haustür stand.
Magdalena war neugierig hinter
Adrian hergelaufen, und nun sah auch sie den Körper eines jungen Mannes am
Boden liegen, den sie unschwer als Ben Winter identifizierte. Instinktiv wich
sie einen Schritt zurück, erinnerte sie dieser Anblick doch an den Moment, als
sie Raffael leblos und in seiner eigenen Blutlache am Boden liegend in seinem
Unterrichtsraum gefunden hatte. „Ist er tot?“, stieß sie wispernd hervor.
„Nein. Ich glaube nicht.
Verdammt, jetzt ruf doch endlich den Krankenwagen!“, plärrte Adrian das Mädchen
an, das sich keinen Zentimeter vom Platz bewegt hatte. In diesem Moment stieß
Ben ein schwaches Röcheln aus, das schließlich in einem kraftlosen Hustenanfall
mündete. „Kei-kein Kranken ... ich ... nicht ... kei ...“
„Oh, mein Gott, du lebst!“, hörte
man das Mädchen erleichtert ausrufen; auch schien sie wieder zu einer Bewegung
fähig, denn nun stürzte sie sich auf Ben und nahm seinen Kopf in ihre Hände, um
ihm auf die Stirn zu küssen.
Schnell hoben sie Ben an und
betteten ihn auf ein altes, abgeschabtes Sofa, das am anderen Ende des Raumes
in der Ecke stand. Langsam kehrte wieder Farbe in sein Gesicht zurück, auch
wenn er nach wie vor ein ungesundes Röcheln von sich gab.
„Was ist passiert?“, fragte
Adrian ihn. Außer einem erneuten erbarmungswürdigen Krächzen aber, das sich
anhörte, als würde jemand seine Stimmbänder über einen
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